Beitragvon Nappo » 11.07.2018, 11:35
Erst einmal muss ich betonen, dass ich weit davon entfernt bin, hier jemanden als asozial zu bezeichnen und eine Entschuldigung ist da auch vonnöten!
Mir war die Sprengkraft bei der Nutzung des Wortes bewusst, welches ich eigentlich in anderem Kontext benutzen wollte.
Auch wenn das Nachfolgende das Thema des Eröffnungsthreads nicht wirklich trifft, so halte ich es doch für interessant, da es spiegelbildlich für die oft anzutreffende Einstellung vieler Menschen ist, die sicherlich auch unbewusst, manchmal anderes predigen als das was sie selbst tun.
Nicht nur die Abgas- und Ökodebatte ist in Sachen SUVs wichtig, sondern generell die Beleuchtung dessen, dass Autofahrer zwar die Automobilindustrie beschimpfen und verklagen, aber auf der anderen Seite - high vom allheiligen Konsum und ewigen Wachstumsversprechungen - genau das bekommen, was sie selbst verlangen.
Ist der SUV nun die eierlegende Wollmilchsau oder schlicht Selbstbetrug?
Wir sind alle Opfer unserer eigenen Ausrede. Das mag auch nicht so schlimm sein, wenn man damit zufrieden ist und es meinetwegen der Lebensqualität dient. Nichts desto Trotz blenden wir die negativen Auswirkungen gerne aus.
Als lifesgood schrieb, er brauche seinen "asozialen" SUV für den Wald, da er auch im Forst unterwegs sei, dachte ich direkt, "Oh! Natürlich. Jetzt muss ich mich entschuldigen, denn dafür braucht man ein solches Gefährt."
Ich selbst wohne auf dem Lande und kenne zuhauf Jäger und auch Sonntagsjäger. Diejenigen also, die dort oft hin müssen, fahren auch entsprechende Autos. Das sind in überwiegender Anzahl kleine Suzukis (meist Jimmnys) und wem dieses nützliche Gefährt zu klein ist, der fährt hier vorwiegend Subaru (i.d.R Forester). Auch dies ist ein SUV, geländegängig, praktisch und nicht überproportional.
Dann aber schrieb er, sein SUV führe auch 275 km/h. Also konnte es ein solcher nicht sein. Und um diesen Koffer zu rechtfertigen, bekam ich was erzählt von "Geländegängigkeit" und Nutzlast. Und da wären wir bei den beliebten Ausreden.
Ich selbst bin Autofan und habe mehrere Autos. Unter anderem einen meist abgemeldeten, weil auf das H-Kennzeichen wartenden, Toyota Land Cruiser als Geländewagen. Ein Geländewagen ist KEIN SUV, oder besser gesagt: Ein SUV ist KEIN Geländewagen! Ein Geländewagen hat eine sog. Rahmenbauweise und Stab- bzw. Blattfedern. Beides hat ein SUV nicht. "Gelände" eines deutschen Waldes lässt sich mit einem SUV vielleicht noch bewältigen. Das wars dann aber. Die grundsätzlichen Voraussetzungen für einen Geländewagen erfüllt ein SUV nicht. Wenn beim SUV (Sport-Utillity-Vehicle) der ADAC kommt, krabbel ich Dir mit meinem 86 PS Toyota noch "strack die Wand hoch".
Dann kam das Argument mit der Nutzlast. Ein Fahrzeug, das entsprechende Nutzlast haben soll, besitzt Blattfedern und eine Starrachse. Immernoch anzutreffen im Nutzfahrzeugbereich. Nur diese Konstruktion lässt das zu, was das Wort Nutzlast rechtfertigt. Auch das hat ein SUV nicht. Er besitzt eine konventionelle Federung in Form von Gasdruckstoßdämpfern, oder - wenns teurer wird - eine Luftfederung. Beides ist aber dem Komfort geschuldet. Die Nutzlast ist tatsächlich eher gering. Bei einem BMW X5 sind das nicht mal 700 kg. Und selbst die, bringt man bei dem Ladevolumen schlicht erst gar nicht unter bzw. ist sie meist vollbesetzt sowieso erreicht.
Somit haben wir mit zwei Ausreden schon mal abgerechnet.
Mein kleiner Nissan-Bus hat z.B. solche Blattfedern und eine Starrachse. Letztlich schrieb dann der Chinese, dass er sich in seinem BMW X 5 sicher fühle. Das mag sein. Während ein Geländewagen wegen des Fußgängerschutzes nicht mal mehr (neu) einen "Hirschfänger" installiert bekommen darf, ist das vor sich her schieben eines 2 to. Gefährts bei 250 km/h erlaubt. Warum? Weil der Verbraucher immer mehr, immer größer und immer schneller will. Darin liegt der Grund und in nichts Anderem.
Das Nutzen eines Sportwagens hingegen, ist schlicht das Bedienen einer Nische und konsequenten Automobilbaus. Ich baue eine Limousine, weils eine Limo sein soll. Einen Bus, weil ich einen Bus brauche. Einen Geländewagen für das Gelände und eben einen Sportwagen für das sportliche Fahren.
Ein SUV möchte alles können, und kann nichts richtig. Die Ausgeburt von designtem Totalversagen ist z.B. ein BMW X6. Ein hochgebockter SUV, ein bisschen Gelädegängig, ein wenig Zugfahrzeug und ein bisschen Coupe. Es erinnert an den Mann, der ein kochendes monogames Model sucht, dass sexsüchtig ist und gleichzeitig bereit, die Unterwäsche zu waschen.
Zeitgleich kann man nichts mehr sehen in einem solchen Fahrzeug, weil die Fenstergrößen an die eines Panzerspähwagens erinnern. Aktive Sicherheit adé. Man hat ja die Kamera.
Die Nachteile der SUVs sind mittlerweile allgegenwärtig und wenn sie noch so oft gekauft werden. Während hier verlogen auf die amerikanischen Autos herablassend geschaut wurde, haben wir es sofort nachgemacht, als es möglich wurde. Die Großstädte überlegen schon, mehr Parkplatzgebühren für SUVs zu nehmen, weil sie viel Raum brauchen. Die Sicherheit aller anderen Verkehrsteilnehmer ist gefährdet, wenn sich ein M-Klasse in einen Fiesta bohrt. Der neue Volvo SUV würde die aktuellen Abgasnormen löblich erfüllen, wäre da nicht sein Gewicht.
Nutzwert haben die Dinger keinen. Es passen nach wie vor nur 5 Personen rein. Der Kofferraum reicht in der Regel nicht mal annähernd an einen VW Passat. Der Verschleiß ist nicht nur größer, sondern auch teurer. Reifen kosten deutlich mehr Geld. Alles andere auch. Die Dinger machen jede Ökobilanz platt. Ihr Nutz(mehr)wert - außer der des höheren Einsteigens - geht gegen Null. Und höher einsteigen kann ich in einen B-Klasse oder Opel Meriva auch.
Während der Audi Chef im Knast sitzt, baut man jetzt einen Q8 ! BMW zieht nach mit einem X 7 ! Und - uii toll! - jetzt schafft man es auch, dass man darin 7 Personen transportieren kann, als wäre das eine Errungenschaft. Dafür brauchten die Konstrukteure 5 m Länge, was Daihatsu mit einem Hijet schon 1985 auf 3,20 m schaffte.
Die Dinger haben 2 m Breite! Gerade soviel, dass sie es noch schaffen, eine Autobahnbaustelle zu passieren, um nicht die rechte Spur nehmen zu müssen! Wer diese Ungetüme bewegen will, benötigt Ressourcen. Die generiert man nach wie vor aus vielen PS, Drehmoment und Sprit! Etwas anderes geht halt nicht. Das ist aber das gleiche Klientel, das nach wie vor weis machen will, dass E-Autos furchtbar dreckig sind und die Idee nicht umsetzbar.
Wie Lech letztens wieder sagte: "Meine Generation hat vollständig versagt!" Der SUV ist nur die Visitenkarte davon. Mercedes-Benz hat schon bei der Entwicklung des 190er ein E-Auto gebaut. Danach passierte nichts mehr. Nicht auszudenken, wenn man die Forschung und Wissenschaft über den schnöden Mammon gestellt hätte.
Also muss ich damit leben, dass die aus dem Wasserstofftauchbad entstiegene Chantal-Clodette völlig überfordert ihren X5/Q7/Kia Dingsbums auf den Aldi-Parkplatz schwemmt, zwei Parkplätze einnimmt, beim rückwärts fahren das Kind übersieht, dessen Kopf nur bis zur Anhängerkupplung reicht, um mir vorher beim aussteigen meine Beifahrertüre zerrammelt zu haben.
Will sagen: Wir reden hier (auch) von einer "besseren" Welt. Von Öko-Lügen und Turbokapitalismus, vom bösen Fiat und dem guten EM und essen vielleicht am Ende auch noch vegan (igitt). Gehts um die eigene Haut, sind die Meisten dann doch wieder nur Jünger des Kritisierten und nehmen die "Errungenschaften" des Wohlstandes gerne fraglos und dankbar hin.
So geht das nicht und so wird das nichts. Der (große) SUV ist nichts anderes als die Endstufe dessen, was Ressourcenvergeudung, Egoismus und Überfluss in Reinkultur aufzeigt.
https://www.podcast.de/podcast/908466/