Frank the tank » 04.05.2024, 16:02 hat geschrieben:Mich würde mal interessieren, wer hatte schon mal so einen Versicherungsfall,
und wie hat sich die Versicherung verhalten?
OT Bei meiner Wohngebäudeversicherung nach dem Unwetter leztes Jahr, Angebot von Firma 2600€,
Versicherung will 2100€ bezahlen, wenn ich es selbst mache 1500€.
Wenn es ans erstatten/bezahlen geht, sind alle Versicherungen gleich!
Dann frage mich, habe es lange genug in verschiedenen Positionen in der Sachversicherung gemacht.
Die 2.100€ werden nicht unbegründet angeboten worden sein. Ggf. nicht gleiche Art und Güte der Wiederherstellung. Oder die Sache war lediglich optisch beeinträchtigt, jedoch weiterhin technisch nutzbar (bspw. häufig bei diesen vermaledeiten Alu-Rollläden nach einem Hagel. Leider! Würde mir deswegen immer nur Kunststoff kaufen.). Tlw. gibt es auch nicht marktübliche Preise von Handwerkern, die meinen wenns die Versicherung zahlt, könnnten sie zulangen. Ja, das ist leider Standard. Da hilft nur, wie man es selbst ja auch machen würde, zwei oder drei Handwerker um ein Angebot zu bitten. Ansonsten mal die Versicherung anrufen und die Lage mit dem zuständigen Sachbearbeiter oder dessen FK besprechen (bspw. wenn nach einem Hagel die ehrenwerte Handwerker wieder das "Friss-oder-Stirb"-Spiel aus der Tasche kramen).
Das du es bei Wiederherstellung in Eigenleistung weniger bekommst, ist normal und auch vollkommen richtig. Die Versicherung soll dir die Wiederherstellung im Neuwert ermöglichen. Jedoch nicht dazu dienen, deine Brieftasche zu füllen. Eine Firma zahlt Gehälter, Sozialvericherungen, Steuern, Fuhrpark, Mieten, Kredite, usw. Diese Aufwände hast du nicht. Die Versicherung bietet dir dann an im Netto-Zeitwert abzurechnen (wenn du es nicht wiederherstellen möchtest), bzw. nach dem Nachweis der Wiederherstellung teilweise gewisse Werte nachzuerstatten (Differenz zum brutto Neuwert des Materials bspw.). Wobei das Abrechnungsverfahren oft nach der Schadenhöhe entschieden wird. Bei einem Kleinschaden, wie bei dir, wird dir vmtl. das Material und einen gewissen fiktiven Stundensatz für die Eigenleistung angerechnet worden sein. Oder aber es gab einen pauschalen Abzug, wenn die genaue Berechnung unwirtschaftlich wäre.
Wichtig ist mir zu sagen: IdR versichert ihr euch in der klassischen privaten Sachversicherung (Hausrat, Wohngebäude) zum Neuwert. Die Zeiten von Zeitwertversicherungen sind hoffentlich vorbei und nur noch in der Landwirtschaft oder leerstehenden gewerblichen Objekten anzutreffen, wo sie Sinn machen können.
D.h. die Versicherung erstattet euch den Neuwert nach heutigen Bau-/Wiederherstellungsvorschriften, sofern sie keine Wertverbesserung der Sache beinhalten. Diese Wertverbesserung könnt ihr natürlich trotzdem in diesem Zuge machen und viele Eigentümer sanieren gleich in diesem Zug das Gebäude, da es Sinn macht. Die reinen Mehrkosten hierfür werden nicht erstattet. Beser ist es trotzdem, da bspw. ein Gerüst schon steht oder der Handwerker hochwertigere Materialien verbaut, statt wie damals "Ideal Standard". Aber Achtung, die Handwerker haben hier manchmal nette Ideen ihre Auftragsbücher zu füllen. Früher zu meiner Zeit war das beispielsweise die EnEV. Sobald übertrieben gesagt drei Ziegel auf dem Dach defekt waren, behaupteten einige "ja das darf ich nicht reparieren, das muss nach EnEV saniert werden" und verunsicherten die Versicherungsnehmer. Man, ich musste nicht nur ein Gutachter zu solchen Häusern hin schicken der dann dem Handwerker vor Ort erklärte, dass er nicht alle Latten am Zaun hat. Wobei sogar die reine Beauftragung und Angebot eines Vor-Ort-Termins reichte. Plötzlich ging es dann doch. Klar waren die Versicherungsnehmer auf Seiten des Handwerkers. Hey, ein energiesanierts Haus auf Kosten der Versicherung?! Wer wäre nicht dabei?
Abzüge im Kleinschadensegment (meist alles unter 5k€) sind oft auf sogenannte Prüfdienstleister zurückzuführen. Wie bspw. "Sachcontrol". Ich stehe diesen ebenfalls kritisch gegenüber. Oder besser gesagt zwiegespalten. Durchaus haben einige Kürzungen Hand und Fuß und die Taschen von Handwerkern werden sehr groß, wenn sie "Versicherungs-Schaden" hören. Tlw. werden dann auch versucht Arbeiten doppelt und dreifach abzurechnen. Zum anderen habe ich auch Prüfberichte gesehen, die ich lachend in der Luft zerrissen habe. Leider, der Schnelligkeit in dem Beruf geshuldet, kann so etwas auch mal an den Kunden raus gehen. Wenn ihr also eine Kürzung durch einen Prüfdienstleister habt, gebe ich euch einen absolut hervorragenden Insider-Tipp den ihr bitte
nie abkürzt:
1.) Beim Sachbearbeiter/-in anrufen und mit ihm jeden Punkt kurz durchgehen. Die Sachberbeiter haben jahrelange Ahnung. Keine Sorge, sie sind vielmehr dran interessiert den Fall ordentlich über die Bühne zu bekommen, wie ihr euch das denken könnt. Und nein, keine Versicherung hat irgendwelche Vorgaben den Sachbearbeitern gegenüber etwas irregulär einzusparen. Freundlich sein! Der Mensch am anderen Ende der Telefonschnur ist vermutlich ein ganz netter, der sich auch nicht über euch aufregen will. Ihr habt ein gemeinsames Interesse: Gut den Schaden zum Abschluss bringen.
2.) Direkte Fürungskraft bitten noch mal drüber sehen zu lassen.
3.) Rechtsanwälte vergessen. In der Regel haben die keine Ahnung. Ja, das meine ich nicht, weil ich euch etwas schlechtes möchte. Aber immer drängen sie in eine aussichtslose Klage. Das gibt halt Kohle. Wenn ein RA drin ist, ist 4.) unwahrscheinlich und 5.) sogar praktisch ausgeschlossen.
4.) Vorstandsbeschwerde einreichen. Spätestens da schaut dann jemand drüber, der euch detailliert begründen kann, wieso man an dem Abzug festhält. Und spätestens das ist der Punkt an dem ihr deutlich selbstkritisch drüber schauen müsst. Ich habe in meiner ganzen Zeit noch nie ein Verfahren "verloren", das ich bei einer Vorstandsbeschwerde begründet abgelehnt hatte. Egal ob danach eine Klage kam oder es an den Ombudsmann ging. Fehlerquote nahgewiesen 0% und das geht nicht nur mir so, die meisten Versicherer werden Vorstandsbeschwerden wie ein rohes Ei behandeln. Vorstandsbeschwerden sind für Versicherer deswegen so kritisch, da sie regulatorische Folgen haben (-> Bafin). Niemand verliert fahrlässig eine Vorstandsbeschwerde später bei gerichtlicher Prüfung. Wirklich niemand!
5.) Ombudsmannbeschwerde einreichen. Das ist du ultima Ratio. Und ich kann euch sagen: Euer Anliegen wird besser geprüft und auf die Rechtsprechung hin abgeglichen, als ein gerichtliches Verfahren auf den unteren Ebenen. Und das vollkommen kostenlos.
https://www.versicherungsombudsmann.de/
Aber bitte, nochmal: Niemals abkürzen. Immer freundlich sein. So, wie man eben miteinander umgeht, würde man sich Auge in Auge blicken.
LG
„Plötzlich erkannte er, dass er die Welt entweder mit den Augen eines armen, beraubten Opfers sehen konnte, oder aber als Abenteurer auf der Suche nach einem Schatz.“
– Paulo Coelho: Der Alchimist