B) Langfristige ökonomische Entwicklung
Vielen Dank an "gullaldr" (und die übrigen Kommentatoren) für die Gegenargumente:
gullaldr hat geschrieben:McSilver hat geschrieben:(1) Man kann Deutschland ökonomisch eben nicht "für sich" betrachten, da es Teil der stark arbeitsteiligen Weltwirtschaft ist. Global betrachtet benötigen wir noch erhebliches Wirtschaftswachstum, damit in 100 bis 200 Jahren eine Weltbevölkerung von dann mindestens 9 Milliarden Menschen einen Wohlstand genießen kann, der unserem heutigen in Ländern wie Deutschland ähnlich ist.
(Der Weg dahin geht nur über freien Handel, weltweite Arbeitsteilung und Marktwirtschaft. Das ist aber nur eine notwendige Bedingung. Hinzu kommen sollte eine internationale Ordnungspolitik, die Marktversagen entgegenwirkt und für ökologische Nachhaltigkeit sorgt.)
(2) Wer entscheidet darüber, wann genug oder zuviel Produkte hergestellt werden?
Nach meinem Verständnis nur der Konsument. Und bislang war es so, dass sich Konsumenten zwar von einzelnen Produkten abwenden, zugleich aber neuen Produkten und Dienstleistungen zuwenden.
Im Zuge des technischen Fortschritts entstehen neue Bedürfnisse, die Wirtschaft bleibt also dynamisch.
Zu 1. Die Frage stellt sich, ob ein solch "erhebliches Wirtschaftswachstum" in irgendeiner Weise realistisch ist. "Mindestens 9 Milliarden Menschen" einen Wohlstand nach heutigen Maßstäben zu sichern, würde einen solch erheblichen Bedarf an Energie, Rohstoffen, Nahrungsmitteln usw. erzeugen, dass dies angesichts geringer werdender Ressourcen nach derzeitigem Wissensstand ausgeschlossen ist. Oder meint man wirklich, dass in 100 Jahren jeder Chinese, Indio oder Schwarzafrikaner mit Porsche Cayenne in der Gegend herumfahren kann, während er zu hause Spülmaschine, Wäschetrockner und Klimaanlage laufen hat? Hinzu kommt der Flächenverbrauch. Wo heute Großfamilien in drei Zimmern hausen, müsste diese dann jeder Single für sich allein beanspruchen.
Das Wort von der ökologischen Nachhaltigkeit schließt selbiges aus. Ebenso ist die Frage, wie wir unseren westlichen Lebensstandard halten wollen, wenn unsere T-Shirts nicht mehr für 5 Cent in Bangla Desh genäht werden. Dann dürften die Preise gewaltig anziehen und somit der hiesige Lebensstandard fallen. Also nicht einmal hier ist dieser Wohlstand demnach wirklich gesichert.
Die Linke löst das einfach. Alles wird irgendwann automatisiert und wir leben dann alle im Schlaraffenland, während das Perpetuum Mobile für uns die Waren produziert. Die Liberalen wollen selbiges offenbar über freien Welthandel erreichen. Doch das funktioniert nur durch irgendwelche noch nicht erfundenen Erfindungen, die all das irgendwie ermöglichen sollen. Man könnte auch von Wunschdenken reden oder von der Wunderwaffe.
Zu 2. Nicht der Konsument entscheidet. Er bildet sich das oft nur ein. Die Werbewirtschaft ist dazu da, die Bilder in den Köpfen der Konsumenten zu erzeugen, ihnen also Konsumbedürfnisse zu suggerieren. Objektiv betrachtet brauchen die Menschen einen Großteil des Schrotts, der produziert wird und den sie kaufen, überhaupt nicht. Da sie aber Konsumenten sein sollen, da sonst das System nicht mehr funktioniert, müssen ihre realen Bedürfnisse (nach Liebe, nach Anerkennung, nach Beachtung usw...) verdrängt und durch Kauf von Konsumgütern zu befriedigen versucht werden.
zu 1) Ist Wohlstand für eine Weltbevölkerung von mindestens 9 Mrd. Menschen möglich?
Die Gegenargumente, die hier vorgetragen werden, sind ja seit den 70er Jahren bekannt und wurden gerade in Deutschland zum herrschenden Konsens, der überhaupt nicht mehr diskutiert wird.
Selbst ein hervorragender Wissenschaftler, wie Ernst Ulrich von Weizsäcker, hat Ende der 80er Jahre in seinem Buch "Erdpolitik" ähnlich pessimistische Annahmen gemacht (wobei er immerhin auf die Möglichkeit der Effizienzsteigerung beim Ressourcenverbrauch setzt).
Man kann diese pessimistischen Ansichten in etwa so kurz zusammenfassen: "Wenn die Erdbevölkerung weiter wächst und alle Habenichtse auf dieser Welt zu Wohlstand kommen wollen, dann gibt es einen Zusammenbruch der Ökosysteme - und die meisten Menschen werden elendig zugrunde gehen."
In den 80er Jahren hieß es häufig:
"Allein wenn ein Teil der Chinesen Auto fährt und unserem Wohlstands-Modell und Ressourcenverbrauch nacheifert, kollabieren die Ökosysteme bzw. der Treibhauseffekt wird zur globalen Mega-Katastrophe."
25 Jahre später stehen wir genau da.
Wie sieht es aus mit dem Zusammenbruch der Ökosysteme und dem Treibhauseffekt?
Selbstverständlich gibt es in China regional viel Umweltverschmutzung. Das darf nicht bagatellisiert werden.
Und auch einen anthropogenen Treibhauseffekt halte ich für real, obwohl seit ca. 15 Jahren kein Anstieg der weltweiten Temperatur mehr empirisch nachweisbar ist.
Es gibt keine empirischen Hinweise darauf, dass die enorme ökonomische Entwicklung im asiatischen Raum in den letzten 25 Jahren zu einer globalen ökologischen Katastrophe führt.
Es deutet vielmehr alles darauf hin, dass die ökologischen Katastrophen-Szenarien
falsch sind.
Das alles ist nicht überraschend. Es hat seit dem 19. Jahrhundert immer wieder pessimistische Mehrheitsmeinungen gegeben, deren Grundtenor darin bestand, dass die Armen eben arm bleiben müssen.
Die Variante seit 30 Jahren lautet: Die Armen werden arm bleiben, weil sonst eine ökologische Katastrophe passiert, die uns alle umbringt.
(Medien und Populärkultur haben diesen pessimistischen Glauben so in uns verankert, dass die meisten Menschen dies für eine selbstverständliche Realität halten.)
Glücklicherweise deutet alles darauf hin, dass - trotz der zu erwartenden Probleme in den nächsten ca. 10 Jahren - sich die ökonomische Entwicklung im asiatischen Raum in hohem Tempo fortsetzt.
Sofern die Menschheit einen Atomkrieg vermeidet, wird sich der asiatische Raum ökonomisch ähnlich entwickeln wie Europa im 19. und 20. Jahrhundert.
Und wenn wir lange Zeiträume von 100 bis 200 Jahren anvisieren, ist es nicht bloß möglich, sondern sogar wahrscheinlich, dass irgendwann auch Afrika sich entsprechend ökonomisch entwickelt.
Was spricht dagegen? Die Begrenztheit der Ressourcen etwa? Diese These ist längst empirisch widerlegt, obwohl sie vielen Leuten weiterhin plausibel erscheint.
Speziell zum Energieverbrauch: Selbstverständlich wird die Wirtschaft in 200 Jahren nicht mehr auf fossilen Energiequellen basieren. Zur Zeit ist es für Länder wie China aber einfach am günstigsten, v.a. fossile Energie zu "verbrennen". Dies wird sich im Verlauf dieses Jahrhunderts ändern - und fossile Energie wird allmählich durch regenerative ersetzt.
Das funktioniert nicht in wenigen Jahrzehnten, aber innerhalb eines Jahrhunderts durchaus.
Im übrigen wird eine Ökonomie der Zukunft weitaus effizienter mit Ressourcen umgehen.
Zuletzt zu dem Argument: "Wenn die armen Leute reich werden, produzieren sie keine billigen T-shirts mehr und unser eigener Wohlstand wird sinken."
Was für ein Argument!
Dahinter steht die Idee, dass Wohlstand in einer Marktwirtschaft stets auf Sklavenarbeit und "Ausbeutung" basiert.
Das ist aber ein Irrtum. Die Produktion von technisch relativ einfachen Gütern wird zunehmend mechanisiert.
Wenn keine billige Arbeit mehr zur Verfügung steht, wird man sie für die Produktion einfacher Industriegüter auch nicht mehr benötigen.
Es wird dann dieselbe Entwicklung geben wie seit Jahrzehnten in der "westlichen" Welt: ein Wachstum des Dienstleistungssektors.
zu 2) Die "wahren" Bedürfnisse
Wird der Konsument ständig manipuliert, so dass er seine "wahren" Bedürfnisse nicht mehr erkennt?
Also, ich persönlich wundere mich auch ständig über solche Sachen wie Smartphones und dergleichen. Ich brauche das nicht. Aber wenn viele andere Menschen darin einen persönlichen Nutzen sehen, werden diese Produkte eben produziert, ob ich solche Produkte für sinnvoll halte oder nicht.
Die Lehre von den "wahren" Bedürfnissen ist die moderne Variante der früh-marxistischen Entfremdungstheorie.
Erich Fromm z.B. hat das in dieser Form vertreten und allen Ernstes gemeint, es sollte nur das produziert werden, was im Sinne dieser "wahren" Bedürfnisse ist.
Ich halte das für eine elitäre Theorie!
Auch die einfachsten Leute sind doch in der Lage zu erkennen, ob ein Produkt für sie nützlich ist oder nicht.
Wer sollte sonst in der Lage sein, für sie zu entscheiden?
Diese neomarxistische Entfremdungstheorie, die auf Frühschriften von Marx zurückgeht, ist aus meiner Sicht eine zutiefst reaktionäre Romantik, die sich aus Phantasien des privilegierten Bürgertums in den fortgeschrittensten Industrieländern des späten 20. Jahrhunderts speist.