Ergänzung:
Ich möchte hier mal das Gesellschaftsmodell von Rufin und seinem Roman "Globalia" vorstellen.
(Es heißt ja immer, die Deutschen könnten nur meckern und haben keine Vorschläge
)
Eine Regierung eines unbestimmten Landes in einer unbestimmten Zukunft hat festgestellt, dass dieses Land gut leben kann, wenn nur ca. 50% der Menschen in "Lohn und Brot" stehen. Dieses Land war fortschrittlich genug, um alle weitere anfallende Arbeit von Maschinen erledigen zu können. (Anzumerken sei, dass dieses Land sehr abgeschottet war, so gab es also keinen Druck aufgrund von Globalisierung oder ständiger Gewinnsteigerung.)
Sowohl Regierung wie auch die Wirtschaft als auch die Bürger haben eingesehen, dass es nicht nötig ist, dass alle arbeiten. Da es zu diesem Einvernehmen gekommen ist, war klar, dass auch diejenigen, die sich dazu entschlossen hatten, nicht zu arbeiten, ein gutes Auskommen benötigten. Selbstverständlich gab es in der "Bezahlung" Unterschiede, aber alle hatten genug, um am gesellschaftlichen Leben (!) teilnehmen zu können.
Da diejenigen, die nicht arbeiteten, auch nicht aufgrund ihrer Arbeitslosigkeit unter Druck gesetzt wurden (ganz im Gegenteil), hatten sie die Zeit und die Muße, sich selbst zu entwickeln - sowohl Bildungsmäßig als auch charakterlich.
(Unser heutiges Problem: Da man über Arbeit definiert wird, hockt der Arbeitslose resignierend auf dem Sofa und glotzt Talk-Shows. Letztlich hat er auch keine andere Wahl, denn eine Form von Teilnahme an dem, was möglich ist, ist ihm finanziell nicht gegeben. Hobbys kosten in der Regel Geld.)
Die Art der Bildung wurde in der Gesellschaft genau so hoch angesehen und geschätzt, wie die "einfache" Arbeit. Sie wurden sogar teilweise - wenn es nötig war - seitens der Regierung unterstützt.
Durch diese Hochschätzung lag es sehr im Interesse der "Bildenden" sich der arbeitenden Gesellschaft mitzuteilen. Durch die positive Konversation zwischen Bildenden und Arbeitern entstand eine allgemein positive Atmoshäre innerhalb der gesamten Gesellschaft.
(Beispiel hierfür: Man stehe morgens mit einer "Null-Stimmung" auf. Geht man nun in einen Raum, in dem sich Menschen befinden, die schlecht gelaunt sind, wird man eher schlecht gelaunt den Raum verlassen. Begegenet man nun jemanden außerhalb des Raumes, so wird derjenige die negative Stimmung spüren, sie aufnehmen und sie ggf. weiterverbreiten. - Kettenreaktion.
Das selbe Prinzip kann man durchführen, wenn man in einen Raum geht, der mit Menschen positiver Stimmung gefüllt ist. Man denke weiter ... - Kettenreaktion.)
Jeder akzeptierte jeden für das, was er in die Gesellschaft einbrachte.
Da sich jeder aussuchen konnte, ob er arbeiten wollte oder sich bilden wollte, gab es auch keinen Neid. Die freie Entscheidung wurde akzeptiert und geschätzt. Da keinem etwas nahe gelegt wurde ("Du musst arbeiten, du musst dich bilden") gab es für beide Gruppen immer genügend Vertreter.
Soweit so gut.
Zumindest im Roman krankte das System daran, dass es nicht gerne gesehen wurde, wenn Kinder gezeugt wurden.
Warum?
Aufgrund der medizinische Versorgung und der Tatsache, dass die Menschen kaum Streß hatten und mit ihrem Leben sehr zufrieden waren, wurde die Menschen sehr alt. Und da die Regierung vor allem in die Bildenden investiert hatte, hatten sie natürlich ein großes Interesse daran, dass die, die sie unterstützten, möglichst lange lebten. Die Bildenden wurde schließlich individuell gefördert, und je länger jemand lebte, desto genauer konnte man ihn fördern, desto weniger und seltener wurde eine Investition aus dem Fenster geworfen. (Denn letztlich ging es doch ein bisschen ums Geld. Eine exakte Verteilung des Geldes war vonnöten, damit das System funktionierte.) Zumal ein falsch gefördeter Bildender nicht so schnell einen Nutzen für die Allgemeinheit erbringen konnte (Wenn jemand gut philosophieren konnte, aber in Richtung Mathematik gefördert wurde, war er potenziell erstmal unzufrieden. Vor allem, wenn er selbst noch nicht genau wusste, was ihn interessiert oder für was er sich eignete.)
Alle Gesellschaftsformen funktionieren aber auch nur dann wirklich gut, wenn den Bürgern eingeredet wird, dass genau dieses Gesellschaftsmodell das beste von allen ist, und jedes andere eine Bedrohung für die vorliegende Perfektion.
Der "Held" der Geschichte war ein junger Mann, der dieses System - vor allem die Ablehnung der Jugend gegenüber - in Frage stellte.
Er flüchtete aus Globalia. Man fing ihn wieder ein. Danach ließ man ihn aber inoffiziell wieder frei, man setzte ihn außerhalb Globalias wieder aus, in der Hoffnung, er würde sich den dort lebenden Rebellen anschließen - was er aus Ermangelung von Alternativen auch tat.
Und so erschuf sich die Regierung von Globalia einen "Feind", den sie benutzen konnte, ihr Gesellschaftsmodell zu verteidigen.
Es ist schon eine Weile her, dass ich das Buch las, möglicherweise stimmt nicht alles 100%ig, aber in Etwa war es so.
Die Erschaffung des Feindes und die Nutzung desselben um das eigene System zu verteidigen war einer der Knackpunkte der Geschichte.
Insgesamt war mir das Buch noch zu brav, doch es war nicht uninteressant.
Sehr zu empfehlen ist noch "Der Mastercode" von Scott McBain.
Zugegeben, er übertreibt ziemlich, aber es gibt Stellen in dem Buch - zumal was die Fünf-Klassengesellschaft angeht (Einteilung durch das vorhandene Vermögen), was die Manipulation über Werbung und Medien angeht, was die Analyse und Bespitzelung des Verbrauchers angeht, was es mit Payback-Karten auf sich hat, wie das Vermögen eines jeden nur über Computer verwaltet wurde, wie die Regierung in das Computerverwaltete Vermögen eingreifen konnte, wie das Computerverwaltete Vermögen wiederum in Datanbanken verwaltet wurde und daraus die Bestimmung für Rechte abgeleitet wurde, und wieso Firmen Interesse daran haben, dass es weltweit nur ein paar von ihnen gibt, war schon sehr aufschlussreich - wenn nicht sogar beängstigend. Zumal einem heute einiges verdammt bekannt vorkommen wird.
Habe fertig - Flasche leer.
Ich weiß letztlich auch nur, was ich glaube zu wissen.
Eto ... watashi wa baka desu, ne. Honto ni!