Sapnovela hat geschrieben:Bumerang hat geschrieben: Momentan sehe ich noch lange nicht "Betriebssysteme" die ihm die Sicherheit einfach verdeutlichen, sodass Vertrauen in dieser Technologie entstehen könnte.
Autsch... da sieht man mal wieder wie wenig eine monatelange Diskussion bringen kann. Entweder versteht man den zu Grunde liegenden Algorithmus oder nicht. Wenn ja und ich ihn als gut beurteile, dann besteht die Basis für Vertrauen. Da aber die wenigsten Menschen in diesem Lande Ahnung von Programmierung und Kryptographie haben (wie viele % der User verschlüsseln ihre Mails?), kommt die breite Masse da nicht in Schwung. Wie soll sie auch, in einem Land wo zwar Latein unterrichtet wird, Informatik aber in der Schule nicht angeboten wird (es sei denn man hat Glück und motivierte Lehrer, die das als AG machen).
Latein schult das Denken in Kategorien; vorteilhaft für die Strukturwissenschaften Mathematik und Informatik. Die ist seit mehr als 30 Jahren reguläres Schulfach, wird heute flächendeckend gelehrt, sogar an Berufsschulen. Doch macht das ein Verständnis der Funktionsweise von Kryptowährungen so viel einfacher?
Bei den Kryptos heißt es immer, man habe sie nicht
verstanden. Dann wird gerne nachgeschoben, daß man sich einfach nicht genug mit ihrer Funktionsweise auseinandergesetzt habe. Die Funktion verstehen, das geht über die bloße Anwendung weit hinaus. Doch auf der Gegenseite ist es mit dem Verstehen meist auch nicht weit her. Lenkt man ein und bittet darum, die erforderlichen mathematischen Zusammenhänge kurz zu umreißen und an einem konkreten Beispiel die Funktionsweise schlüssig und im Detail nachvollziehbar darzustellen - man will schließlich dazulernen - bringt man das Gegenüber, sofern nicht gerade Informatiker oder Mathematiker, zum Schweigen, gepaart mit einem unverkennbar angewiderten Gesichtsausdruck. Das Wort "Mathematik" wirkt in Kryptodebatten Wunder, ist aber abseits meiner gutgemeinten Polemik von zentraler Bedeutung.
Das Zitat von oben bringt das Dilemma der Kryptos auf den Punkt:
Entweder versteht man den zu Grunde liegenden Algorithmus oder nicht. Wenn ja und ich ihn als gut beurteile, dann besteht die Basis für Vertrauen. Da aber die wenigsten Menschen in diesem Lande Ahnung von Programmierung und Kryptographie haben ..., kommt die breite Masse da nicht in Schwung.
Hier im Forum tummeln sich einige Informatiker, die naturgemäß einen direkteren Zugang zu der Materie finden, wenn sie sich nur intensiv genug mit ihr befassen. Den meisten anderen fehlt dieser Zugang, sie sind allenfalls interessierte Laien. Immerhin, selbst wer wirklich überhaupt nichts mit Zahlen am Hut hat, wäre trotzdem noch in der Lage, eines der klassischen Kryptoverfahren anzuwenden, z.B. um schrägen Freunden eine verschlüsselte Postkarte zu schicken. Gar kein so seltenes Hobby. Das Problem ist nur, daß die modernen asymmetrischen Kryptosysteme aus einem ganz anderem Holz geschnitzt sind als die simple Caesar-Chiffre. Da fallen Begriffe wie Fundamentalsatz der Arithmetik, Zahlkörpersieb, effiziente Faktorisierungsverfahren: mit etwas Mühe - den Bronstein und passende Fachliteratur zur Hand - alles eigenständig erschließbar. Auf dieser Grundlage läßt sich die Funktionsweise moderner kryptographischer Verfahren nachvollziehen, das nötige Sitzfleisch vorausgesetzt. Nur, an dem Punkt angelangt entziehen sich die konkreten Software-Implemetierungen von Kryptowährungen immer noch einer Beurteilung. Diesen Details auch noch nachzugehen, wäre weit mehr als nur ein Hobby. Ein Aufwand, den man nur noch aus handfesten Gründen auf sich nimmt. Selbst dann bleibt aber die Ungewissheit, Fallstricke oder Hintertürchen zu übersehen, die regelmäßig auch Experten über Monate verborgen bleiben.
Wie sollte da die "breite Masse" in Schwung kommen, Kryptos verstehen und Vertrauen fassen? Mehr als eine vage Vorstellung davon, was überhaupt ein Algorithmus ist, kann man von ihr nicht erwarten. In Programmiersprachen sind Laien ungeübt. Und von der Zahlentheorie aus der sich jene Algorithmen erklären, haben sie erst recht keine Ahnung. All das geht über Schulwissen weit hinaus. Wie soll man diese abstrakten Zusammenhänge einer breiten Masse nahebringen? Woher sollte überhaupt die Motivation stammen?
Mein Fazit: Kryptowährungen sind nicht anschaulich und viel zu abstrakt, um unmittelbar verstanden zu werden. Eine eigenständige Beurteilung ist dem Laien so gut wie unmöglich, damit auch eine Vertrauensbildung.
Vertrauen ist zwar die Voraussetzung für eine Akzeptanz in der breiten Masse. Für die bloße Spekulation ist es zum Glück unerheblich. Da zählt nur, daß der Preis in Bewegung bleibt - und der Rubel rollt. Vertrauensbildend wirken aber auch diese Aktivitäten nicht.
Besten Gruß
Fin.