Kein Problem, gerne doch!
Hast Du Angst/Befürchtungen wenn Du Dein Haus bzw. Deine Gegend verlässt ?
Nein. Man müsste natürlich noch "Gegend" definieren. Hier in Puebla fühle ich mich nicht unsicherer als in Deutschland. Dort habe ich gerade Gegenden wie Neukölln, Kreuzberg oder Marzahn gemieden. Wobei es selbst in einer Stadt wie Chemnitz abends ungemütlich wurde. Dazu muss man aber auch sagen, dass ich nach 20-21 Uhr kaum noch unterwegs bin in Mexiko (nicht weil ich mich unsicher fühlen würde, sondern weil ich abends schlicht nichts unternehme).
Vor ziemlich genau einem Jahr waren wir für 1 Woche in Zihuatanejo (Bundesstaat Guerrero). Dort ist das schon eine andere Geschichte. Da bekommt man ein mulmiges Gefühl, wenn spät abends an der Strandpromenade Polizeiwagen an einem vorbeirasen sieht, die dann per Mikrofon verkünden, dass man nach hause gehen soll. Gab wohl mal wieder irgendwo eine Schießerei. Ein paar Wochen später ist das dann eskaliert und jemand wurde vor einer Bar erschossen, wo wir auch etwas getrunken hatten.
Auch Mexiko-Stadt ist für mich ein einziges riesiges Ghetto. Da zieht mich nichts hin. Wenn man eine Zeit lang in Mexiko lebt, kennt man die einzelnen Regionen und auch die dortigen Menschen besser kennen. Mein Schwiegervater (schon ein wenig älter) sitzt gerne auf seiner Veranda und hat von da schon einige Morde erlebt. Dann heißt es nur "Un pinche cabron menos".
Wenn ja, wie schützt Du Dich dagegen ?
Gar nicht. Man kann in Mexiko, ähnlich wie in den USA, legal Waffen besitzen und das ist auch bürokratisch nicht umständlich. Ich habe in Banken schon mehrfach Leute mit Pistolen gesehen. Ich selbst habe keine Waffe, auch kein Pfefferspray oder Messer. Allerdings haben wir uns ein Auto gekauft, weil die öffentlichen Busse immer gefährlicher wurden. Meiner Frau wurde einmal die Tasche aufgeschlitzt...die war aber leer, sodass nichts geklaut wurde. Hat sie aber erst zuhause bemerkt. Ansonsten einfach Auto von innen verriegeln, bei Ampeln Fenster hoch.
hast Du Angst um Deine Frau/Family, wenn Du nicht zuhause bist ?
Ich bin immer zuhause...bzw. wenn ich nicht zuhause bin, bin ich mit meiner Frau unterwegs. Es gibt selten einen Zeitpunkt, wo ich wirklich alleine bin...oder sie.
Die werden ja wohl nicht von den korrupten Bullen, sondern von privaten Diensten "geschützt".
Muß man diesen Schutz tatsächlich in Anführungsstriche setzen, so wie ich es getan habe oder kann man sich auf die verlassen ?
Es handelt sich dabei um verschiedene private Sicherheitsfirmen. Viele sind bewaffnet und haben auch einen "direkten Draht" zur Polizei...quasi per Knopfdruck. Aber mehr weiß ich diesbezüglich nicht. Hier in meiner Kolonie (ich denke so um die 10.000-20.000 Einwohner) gibt es 1 (!) Auto einer Sicherheitsfirma, das ständig irgendwo rumfährt auf Streife. Total effektiv. Meinem Schwager wurde die Autobatterie direkt vor seinem Haus ausgebaut...einen Tag später wollte die Sicherheitsfirma ein wenig "Cooperacion"...völlig sinnlos diese Leute. In den reichen Kolonien gibt es bewachte Zufahrtsstraßen mit Schranke usw. Da kommt so einfach keiner rein ohne Ausweis oder Einladung.
Sind in Mexiko die Apotheken auch vergittert, so wie ich das aus einigen Latino-Ländern her kenne ?
Apotheken? Nicht, dass ich wüsste. Ich lebe 150m von einer großen Apotheke entfernt und die hat als Eingang Glas-Schiebetüren. Die Apotheke ist aber 24/7 offen und ich habe die Türen noch nie zu gesehen.
Denke mal die haben genauso einen "Notfallknopf" oder sowas...aber vergittert sind eigentlich nur normale Wohnhäuser...vielleicht einige kleinere Läden.
Wie schnell sind die Bomberos da bzw. kommen die überhaupt oder ist das von der Wohnlage abhängig (Passagiere 3. Klasse zuletzt) ?
Abgesehen von der Polizei sind die Rettungskräfte eigentlich immer sehr schnell vor Ort...soweit ich das beurteilen kann. Hier brennt es echt selten (das soll wohl an der Höhenlage von ~2500m liegen und dem geringen Sauerstoffgehalt). Auch Sanitäter sind fix vor Ort. Am schnellsten sind aber eigentlich immer die Pizzaboten. Spaß beiseite: Es gibt natürlich Klassenunterschiede. Als es diese Plünderer gab, wurde das Reichenviertel von Hundertschaften abgesichert. Bei uns in der Kolonie gab es 1 Polizeiwagen mit 1 Polizisten.
Gibt es in Mexiko (noch) etwas wie funktionierende Gewerkschaften ?
Gewerkschaften ja (heißen Syndikate). Funktionieren? Naja, kommt drauf an aus welcher Sichtweise. Die Gewerkschaftsführer werden oftmals von der PRI (Regierungspartei) angeworben mit dem Ziel, dass sämtliche Arbeiter für die PRI stimmen. Der Gewerkschaftsführer bekommt dafür eine nette Summe Geld. Wie macht das der Gewerkschaftsführer? Er hat Ausweiskopien von jedem einzelnen Mitarbeiter. Bei den Wahlen wird dann geschaut, ob die Ausweisnummer zur Wahl angetreten ist. Wenn der Mitarbeiter mit seiner Ausweisnummer also ins Wahlbüro geht, bekommt er einen Wahlzettel, der eine Identifikationsnummer hat. Der Mitarbeiter setzt nun "geheim" sein Kreuz und gibt den Wahlzettel in die Wahlurne. Irgendwann wird die Wahlurne geöffnet und man vergleicht, welcher Wahlzettel welche Stimme bekommen hat. Durch die Identifikationsnummer der Wahlkarte und die Ausweisnummer weiß man nun, wer für welche Partei gestimmt hat. Sollte ein Mitarbeiter nun nicht für die PRI gestimmt haben, bekommt er eine Kündigung. So einfach. Beispiel? Der Gewerkschaftsführer des staatlichen Ölförderers PEMEX ist gleichzeitig Bundesabgeordneter für die PRI.
In den 1930er Jahren waren in den Wahlbüros Männer mit Waffen, die bei der Wahl "die Sicherheit garantieren sollten". Die haben einem über die Schulter geschaut und wenn man das Kreuz dummerweise falsch gesetzt hat, war man direkt weg vom Fenster. Heutzutage ist das ein wenig subtiler.