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Mahoney33
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Re: Historisches zur Mark-Währung (1871-1918)

Beitragvon Mahoney33 » 19.06.2019, 21:54

Vielen Dank auch von mir! Interessante neue Infos...

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Brakteat
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Re: Historisches zur Mark-Währung (1871-1918)

Beitragvon Brakteat » 20.06.2019, 12:58

Freut mich, wenn das Thema gefällt.

Bin gerade endlich mal auf einen Hinweis zum Fünfzigpfennigstück gestoßen. Reichstagsdebatte vom 14. Juni 1904 zur Änderung des Münzgesetzes.
https://digi.bib.uni-mannheim.de/viewer ... 4/0226.jp2
Es geht einmal mehr um ein Dreimarkstück als Ersatz für den Taler, der ja immer noch als Kurantmünze gültiges Zahlungsmittel ist. Wieder fehlt nicht die Kritik, dass ein Dreimarkstück ja nicht in das Dezimalsystem passe.

Der Staatssekretär im Reichsschatzamt, Frhr. von Stengel, sieht keine Notwendigkeit für ein Dreimarkstück. Er sieht stattdessen die Gefahr, dass mit der Debatte über ein Dreimarkstück die "seit Jahren als ein dringendes Bedürfnis empfundene Aenderung und Verbesserung des Fünfzigpfennigstücks" zu scheitern drohe. Das scheint miteinander gekoppelt gewesen zu sein. v.Stengel: "Ich bemerke, daß man demnächst die Ausprägung von neuen Fünfzigpfennigstücken in ziemlich erheblichem Umfang in Angriff wird nehmen müssen." An den alten 50ern bestand also ein Mangel, auch weil sie im Alltag natürlich eine große Rolle spielten. Ich würde mal aus heutiger Sicht schätzen, dass so eine halbe Mark heute mit der Kaufkraft von fünf Euro vergleichbar ist, oder? Klar, dass eine solche Münze für den Alltag wirklich wichtig war.

Bei Numispedia habe ich dann den Eintrag gefunden, dass die Fünfziger offenbar schnell mit dem "Groschen" verwechselt wurden, also mit dem Zehnpfennigstück aus Nickel, das sogar etwas größer war. Bild- und Wertseite waren nach 1873 ähnlich gestaltet. --- Kann also gut sein, dass die Änderung in "halbe Mark" eher hierrauf zurückzuführen ist. Die Gestaltung als halbe Mark mit Eichenkranz und großem Adler ließ sich beim schnellen Blick in die Börse sicher besser vom schlichteren Groschen unterscheiden. Andererseits: Das Fünfzigpfennigstück trug schon seit 1896 den Wert "50 PFENNIG" im Eichenkranz ähnlich wie eine Mark. Dieser Mangel war also schon behoben. Die Änderung zu "1/2 MARK" war da gar nicht mehr so augenfällig.

Weiter in der Reichstagsdebatte. Ein "Dr. Arendt" von der Reichspartei tritt hier in allen Debatten als Verfechter des Talers auf und macht sich deshalb für ein Dreimarkstück stark. Er argumentiert: "Das Dezimalsystem ist ein Zugeständnis an die schriftliche Rechnung, nicht an den Münzverkehr." Im Münzverkehr bestehe im Volk das Bedürfnis nach einem Dreimarkstück, auch bei Restaurants und Warenhäusern. Dagegen nehme "das Publikum" das Fünfmarkstück nicht gern an, weil es zu groß sei. Interessant hier: Weil es zu groß war, haben es offenbar viele Menschen eher als "Schatz" oder "Notgeld" an die Seite gelegt, anstatt es mit sich herumzutragen. Das bezeichnet Arendt als "außerordentlich bedenklich, denn es hat als Münze nur einen Wert von 1,90 M". Er spielt also auf den 1904 deutlich gesunkenen Wert von Silber an. Es lohnte sich also damals schon nicht mehr, die Scheidemünzen als "Silberschatz" auf die Seite zu legen. Arendt kritisiert außerdem, dass immer mehr alte Taler zur Umprägung in neue Reichssilbermünzen genutzt werden und damit aus dem Verkehr verschwinden.
Der nachfolgende Redner, wieder Frhr. von Stengel aus dem Reichsschatzamt, sieht aber in den alten Talern die einzige halbwegs günstige Möglichkeit, an neues Silber für die benötigten Reichssilbermünzen zu gelangen. Denn es gab sonst kaum noch andere alte "Landessilbermünzen", die man für die Neuprägung hätte einziehen können.

Ein weiterer Redner bringt als Idee auf, das Fünfmarkstück dadurch zu verkleinern, dass man seinen inneren Wert durch den Zusatz von Gold erhöht. Auch interessant.

Am Ende - wenn ich es richtig gelesen habe - beschließt der Reichstag die Einführung eines Dreimarkstücks. Wenn ich das richtig sehe, wird dieser Beschluss aber später vom Bundesrat kassiert, sodass es bis 1908 dauerte, eh man das Dreimarkstück einführte.

Nicht ganz verstanden habe ich die letzten Ausführungen zum Fünfzigpfennigstück und was da nun beschlossen bzw. abgelehnt wurde. Muss jetzt auch meinen Computer verlassen. Deshalb kann ich das an dieser Stelle nicht weiter nachschauen. Nur soviel: in der Debatte ging es nicht um die Verwechselbarkeit zum Zehnpfennigsgtück, sondern zum Fünfpfennigstück, also anders als sich es oben aus Numispedia zitiert habe. --- Später mehr. ;)

Brakteat
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Re: Historisches zur Mark-Währung (1871-1918)

Beitragvon Brakteat » 20.06.2019, 15:33

So. Weiter im Text. Hab was gefunden: Reichstagsdebatte vom 17. Januar 1905.
https://digi.bib.uni-mannheim.de/viewer ... 8/0249.jp2
Dort tritt wieder Reichsschatzsekretär von Stengel in Erscheinung. Er hat ja schon vorher die Dringlichkeit des "Fünfzigpfennigstücks" hervorgehoben. Er sagt hier auch, dass es vor allem um die Verwechslung mit dem Zehnpfennigstück geht. Er bedauert, dass diese Frage mit der "Taler- oder Dreimarkfrage" belastet und damit nicht gelöst wurde.

Zitat: "An dieser Verquickung der beiden Dinge, die an sich in keinem inneren Zusammenhange mit einander standen, ist nun bekanntlich der Gesetzentwurf über das Münzwesen gescheitert, und da wir andererseits nicht in der Lage waren, die Umprägung der Fünfzigpfennigstücke noch des weiteren auf die lange Bank zu schieben, wurde demnächst die Einleitung getroffen, um, so gut es ohne eine Aenderung der Münzgesetzgebung sich machen ließ, ein neues, dem Bedürfnis des Verkehrs möglichst entsprechendes 50-Pfennigstück herstellen zu lassen. Mit der Prägung dieses neuen 50-Pfennigstücks, das die Wertbezeichnung "1/2 Mark" trägt und sich außerdem von dem bisherigen 50-Pfennigstück nur durch eine erheblich stärkere Riffelung unterscheidet, ist nun zu Beginn dieses Jahres der Anfang gemacht worden [...]."

FAZIT: Die Umbenennung in "1/2 Mark" ist offenbar eine Notlösung gewesen. Man hätte das Fünfzigpfennigstück gern ganz anders gestaltet, um es besser vom Zehnpfennigstück (und wohl auch dem Fünfpfennigstück) zu unterscheiden. Ich könnte mir vorstellen, dass vielleicht ein höherer Kupferanteil denkbar gewesen wäre, um die Münze größer zu machen. Ist aber nur eine Vermutung. Da die Abgeordneten die 50Pf-Frage nicht von der Taler/Dreimark-Frage trennen wollten und deshalb eine Gesetzesänderung nicht zu erreichen war, hat die Regierung (wenn schon keine größere Lösung möglich war) kurzerhand damit begonnen, den Wert wenigstens in "halbe Mark" zu ändern, damit man äußerlich schnell erkennen konnte, dass es keine 10 oder 5 Pfennig waren. Man musste dafür offenbar auch nicht das Münzgesetz ändern. Deshalb wurden - so verstehe ich es - die neuen Halbmark-Stücke in den Statistiken weiterhin ganz getreu dem Münzgesetz als "Fünfzigpfennigstücke" angegeben.
Klingt für mich erstmal plausibel, solange niemand was anderes als Erklärung findet.

Beim Lesen hat mir gefallen, dass die Münzen damals durchweg als "Stücke" bezeichnet werden, also immer mit der Zahl vorweg: Dreimarkstück, Zehnpfennigstück etc. Das hatte ich fast vergessen. Wir haben früher ja auch oft vom Zweimarkstück oder vom Markstück gesprochen. Mit dem Euro ist das nach meinem Eindruck verloren gegangen.

Soviel für heute...

Brakteat
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Re: Historisches zur Mark-Währung (1871-1918)

Beitragvon Brakteat » 22.06.2019, 11:05

Ergänzung:
Die Suche in den Ausgaben des Reichssanzeigers ist nicht ganz leicht. Es funktionieren längst nicht alle Suchwörter. Deshalb habe ich immer wieder andere ausprobiert, jedesmal mit anderen Treffern. Daraus ergeben sich Zeitsprünge. Jetzt zum Beispiel bin ich auf eine Ausgabe vom 9. Juni 1904 mit der Reichstagssitzung om 8. Juni 1904, also ein hlabes Jahr vor der oben angeführten Debatte vom Januar 1905.
Dort erläutert Reichsschatzsekretär von Stengel noch mal das genaue Vorgehen beim "neuen" Fünfzigpfennigstück:
https://digi.bib.uni-mannheim.de/viewer ... 4/0140.jp2

Es geht hier aber offensichtich noch nicht um die Wertangabe "1/2 Mark", sondern erstmal nur um Änderungen am Adler und am Eichenkranz. Zu Beginn debattieren die Abgeordneten auch wieder lebhaft über den Taler- und das Dreimarkstück. Der Abgeordnete Otto Arendt (Reichspartei) wird da spöttisch als "Silberlöwe" bezeichnet. Er tritt ja für Taler und Dreimarkstück ein - wohingegen die Kritiker immer das Dezimalsystem als Gegenargument bemühen. Außerdem fragen sie, warum denn die Reichsbank so viele Talermünzen in ihren Kellern horte, wenn der Taler doch angeblich so beliebt sei. Antwort: Kein Wunder, wenn viele Reichsbankstellen die Talermünzen gar nicht erst unters Volk bringen, sondern wieder an die Zentrale zurückgehen lassen...

Herrlich solche Debatten.

Ich werde den Thread weiter als Werkstatt für das Thema nutzen, um den Stand meiner Suche zum Thema hier zu archivieren. Wer sich daran stört, möge den Faden bitte einfach ignorieren.
Zuletzt geändert von Brakteat am 22.06.2019, 11:39, insgesamt 1-mal geändert.

Brakteat
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Re: Historisches zur Mark-Währung (1871-1918)

Beitragvon Brakteat » 22.06.2019, 11:37

Reichstagsdebatte um das Münzgesetz vom 12. April 1904.
https://digi.bib.uni-mannheim.de/viewer ... 2/0483.jp2
Zitat Reichsschatzseketär von Stegel zum Auftakt der Debatte:
"Meine Herren! Das Fünfzigpfennigstück ist von Anfang an ein Schmerzenskind unserer Münzgesetzgebung gewesen, und es hat von Haus aus dem Bedürfnis des Verkehrs nicht entsprochen."

Er listet noch mal auf, wie schwierig es seit 1873 war, den 50er anzupassen. Er berichtet von etlichen Musterentwürfen, die er vorlegen könnte. Außerdem bestätigt er meine Annahme, dass man vorhatte, dem Fünfzigpfennigstück eine andere Legierung zu geben. Das sei nämlich der Hauptfehler von 1873 gewesen, allen Silbermünzen die Legierung 900/1000 vorzugeben, was gerade bei den kleineren Münzen besonders schwierig sei. Er schlägt also eine neue Legierung vor und hat allen Abgeordneten sogar Münzproben auf den Tisch gelegt. Der "Silberlöwe" Otto Arendt nutzt die Debatte allerdings wieder mal dazu, über den Taler und das gewünschte Dreimarkstück zu debattieren.

Interessant ist hier noch eine Bemerkung von Stengels, dass zu der Zeit einige "Reklamemarken" im Handel ausgegeben wurden, die von Größe und Aussehen dem 20-Mark-Stück aus Gold zum Verwechseln ähnlich waren - ich vermute mal aus Messing, das wird aber hier nicht genau genannt. Die Marken hatten sogar eine 20 aufgeprägt. Es ließ sich dahinter aber offenbar keine kriminelle Absicht erkennen. Schon kurios.

Brakteat
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Re: Historisches zur Mark-Währung (1871-1918)

Beitragvon Brakteat » 22.06.2019, 15:19

Materialsammlung geht weiter, leider nicht chronologisch, weil die Suche keine chronologisch geordneten Ergebnisse erbringt.

Reichstagsdebatte vom 13. November 1906:
https://digi.bib.uni-mannheim.de/viewer ... 1/0184.jp2.

Hier geht es um Petitionen aus der Wirtschaft. Einige Betriebe fordern die Ausprägung weiterer Silberscheidemünzen. Es herrscht offenbar Münzmangel für das Auszahlen der Löhne. Verlangt werden Zwei- und Fünfmarkstücke, auch wenn die Fünfer wegen ihrer Größe eher unbeliebt sind. Reichsschatzsekretär von Stengel erklärt, dass man die bisherigen Fünfer nur noch sparsam ausprägen will, weil man die Münze ja eigentlich schon seit langem verkleinern möchte. Dafür fehlt aber immer noch ein Beschluss, vor allem vom Bundesrat, der für die "Landessilbermünzen" zuständig ist, also alle Münzen, die den jeweiligen Landesherrn auf der Bildseite haben. Das sind bis dahin die Zwei- und Fünfmarkstücke.

Reichsschatzsekretär von Stengel geht auf eine Petion des Lederwarenherstellers "Gebrüder Brumm" in Meerane ein, wonach viele Beschäftigte goldene Zehnmarkstücke ("Kronen") ausgezahlt bekommen: "Die Kronen aus Gold eigneten sich aber für die rauhe Arbeiterhand nicht so gut, gingen leichter verloren und nützten sich verhältnismäßig sehr ab."

v.Stengel schildert nochmal das Dilemma, dass die Firmen wegen der fehlenden Fünfer immer öfter gezwungen sind, den Lohn in goldenen Zehnmarkstücken auszuzahlen:

"Ich muss gestehen, meine Herren, daß die Verwendung einer so kleinen und wertwollen Goldmünze zu Lohnzahlungen doch auch ihre schweren Bedenken hat, Bedenken nicht etwa nur vom reichsfinanziellen oder vom münzpolitischen Standpunkte, sondern gerade auch Bedenken vom Standpunkte der Interessen des Lohnempfängers, des Arbeiters selbst. Der Wohlhabende kann sich über den Verlust eines Zehnmarkstückes leicht trösten; aber für eine Arbeiterfamilie, die auf den Wochenlohn des Ernährers angewiesen ist, kann unter Umständen der Verlust eines solchen Münzstückes geradezu ein Unglück bedeuten."

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Re: Historisches zur Mark-Währung (1871-1918)

Beitragvon Sapnovela » 22.06.2019, 17:16

Brakteat hat geschrieben:"Die Kronen aus Gold eigneten sich aber für die rauhe Arbeiterhand nicht so gut, gingen leichter verloren und nützten sich verhältnismäßig sehr ab."


Endgeil!
Ich kann außer Lesen zum thread nicht viel beitragen... bedanke mich aber gerade desw. für Deine Arbeit! smilie_01 smilie_24
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Re: Historisches zur Mark-Währung (1871-1918)

Beitragvon Fortuna » 22.06.2019, 17:25

Ich sammel diese Münzen zwar nicht, aber ich finde das thema trotzdem sehr interessant, danke.

Brakteat
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Re: Historisches zur Mark-Währung (1871-1918)

Beitragvon Brakteat » 22.06.2019, 17:41

Freut mich.

Ich finden es selber auch so spannend, mal einen Einblick in einen Geld-Alltag zu bekommen, den wir uns eigentlich gar nicht mehr vorstellen können und wo man sich nur widerwillig vorstellen mochte, dass Geld mal keinen inneren Wert mehr haben könnte. Mir den Silberscheidemünzen hatte man ja den Anfang gemacht. Es wird ja in den den Debatten immer wieder betont, dass das Fünfmarkstück nur noch 1,90 M wert sei.

Dass es mal Zeiten gab, als man den Lohn wochenweise mit Papiertüte ausbezahlt bekam, habe ich gerade noch nach meiner Schulzeit Anfang der Neunziger mitbekommen. Allein das scheint schon Jahrhunderte weit weg. Und hier der Blick in einen Alltag, in dem man das Geld wirklich nur dann zur Bank brachte, wenn man es übrig hatte. Ansonsten hat man vielleicht mal einen goldenen Zehner auf die sprichwörtlich "hohe Bettkante" gelegt - und musste hoffen, dass er nicht zwischen die Dielen fiel... ;)

Eine Frage nochmal in die Runde:
Ich hab oben pi mal Daumen geschätzt, dass eine Mark um 1900 eine Kaufkraft von heute zehn Euro hatte - mal davon abgesehen, dass der Konsum heute ein ganz anderer ist als damals. Solche Vergleiche hinken ja immer. Aber trotzdem: Kommt das ungefähr hin?

Brakteat
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Re: Historisches zur Mark-Währung (1871-1918)

Beitragvon Brakteat » 22.06.2019, 19:09

Hab zum Thema Kaufkraft gerade eine Liste der Bundesbank gefunden.

Ganz interessant: Was 2002 einen Euro gekosten hat, kostet heute - laut Bundesbank - 1,26 Euro. 1981 war eine D-Mark in etwa so kaufkräftig wie heute ein Euro. Und eine Mark um 1900 war demnach in etwa so kaufkräftig wie heute 6,90 Euro.

Mag sein. Fragt sich, was die Bundesbank da zur Berechnung herangezogen hat. Der Vergleichswert mit der D-Mark erscheint mir im Rückblick jedenfalls großzügig. Ich hätte getippt, dass die D-Mark vielleicht Ende 80er/Anfang 90er so kaufkräftig war wie heute ein Euro. Aber ich bin ja kein Ökonom. ;)

Laut Bundesbank hatte eine 20-Mark-Goldmünze um 1900 so soviel Kaufkraft wie heute 134 Euro. Kosten tut sie heute freilich das Doppelte...

Interessant auch: Der Taler (Vereinstaler) hatte 1872 die Kaufkraft von 20,20 Euro - so als würden wir heute mit der 20-Euro-Gedenkmünze einkaufen gehen; die hat ja denselben Silbergehalt. ;) Das gilt auch für die Jahre bis 1900, da entsprach er ja drei Mark, und das war mal drei gerechnet auch immer so um die 20 Euro.

Ich frage mich allerdings, ob diese Werte nicht zu gering sind. Müssten so ein Taler, bzw. drei Mark bis 1900 im Alltag nicht doch etwas wertvoller gewesen sein als heute 20 Euro?

Xiaolong

Re: Historisches zur Mark-Währung (1871-1918)

Beitragvon Xiaolong » 22.06.2019, 22:24

Danke für Deine Mühen!

Ich habe mich irgendwann in den Tageszeitungen verloren, bin gerade deshalb aber der Meinung das Du recht hast. Die Kohle war anno tuc vielleicht doch etwas mehr wert. Es hängt definitiv davon ab, wie man den Warenkorb gestaltet, um die Kaufkraft zu ermitteln. Die Bedürfnisse haben sich ja recht stark verändert in den letzten 100 Jahren und dementsprechend kann die BuBa da eben auch nur Nährungswerte bieten.
Kohle zum Heizen, Kochen, Baden etc
Interessant fand ich immer Annonencen, in denen es um Betongold ging, Mietwohnungen etc...
Richtig gute moderne Wohungen (immerhin wird extra darauf hin gewiesen) hatten wohl elektrisches Licht und fliessend Wasser.

Brakteat
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Re: Historisches zur Mark-Währung (1871-1918)

Beitragvon Brakteat » 23.06.2019, 09:55

Ich habe gerade mal nach Alltäglichem geschaut: Bei "Hermann Tietz" kostete 1904 zum Beispiel ein "Caffeebecher" zehn Pfennig. Laut Kaufkraftliste der Bundesbank wären das heute 65 Cent. Nicht sehr wahrscheinlich. Bestimmt gibt es heute auch bei Karstadt mal Billigtassen für einen Euro - und im 1€-Shop sowieso. Aber 65 Cent?

Und 1904 war das ja kein Billigzeugs, das man an jeder Ecke hinterhergeschmissen bekam wie heute. Damals haben sich die Leute ja nicht ständig neu ausgestattet. Wenn man damals mal 10 Pf. für einen Kaffeebecher bezahlt hat, dann wären das heute doch bestimmt zwei Euro, oder?

Nur mal so als Schlaglicht.

Ric III
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Re: Historisches zur Mark-Währung (1871-1918)

Beitragvon Ric III » 23.06.2019, 14:55

11871
Zuletzt geändert von Ric III am 19.07.2019, 07:51, insgesamt 1-mal geändert.

Brakteat
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Re: Historisches zur Mark-Währung (1871-1918)

Beitragvon Brakteat » 24.06.2019, 09:47

Ric III hat geschrieben:10 Pf 1904 -65 Cent 2019 ist nicht plausibel.

10Pf. müßte 1904 grob 1/3 Durchschittsstundenlohn entsprechen.

Weitere Betrachtungen:

http://wiki-de.genealogy.net/Geld_und_Kaufkraft_ab_1871


Danke für den Link.

Irgendwie lässt sich das alles ja doch schwer mit heute vergleichen. Bei den ganzen Alltagsgegenständen muss man womöglich die heutigen Preise bei Manufaktum als Maßstab heranziehen, um auch an die Qualität und Wertigkeit der damaligen Waren heranzukommen.

Vielleicht ist das Kilo Roggenbrot ein halbwegs guter Maßstab: 23 Pfennig damals. Wenn wir heute mal 3,50 für ein vergleichbares Roggenbrot ansetzen, dann sind wir beim Faktor 15. Also eine 1 Mark = 15 Euro.

Dazu passt auch, was ich mal bei ProAurum aufgeschnappt habe, dass man nämlich heute für den Wert einer 20-Mark-Goldmünze eine ähnliche Menge Brot bekommt, wie man für dasselbe Geldstück um 1900 bekommen hat. Damals waren es 86 Brote. Nehmen wir heute großzügig 300 Euro Goldwert für das 20-Mark-Stück, dann sind wir bei 85 Broten. Könnte passen...

Was die Einkommen angeht, wird der Vergleich schwierig, weil man ja damals nur geringe Einkommensteuer gezahlt hat, von 0,6 Prozent bis maximal 4 Prozent, wie ich gerade bei Wikipedia nachgelesen habe. Außerdem hat man damals, wenn ich das richtig einschätze, auch noch längst nicht alles mit Geld bezahlt, sondern vor allem auf dem Land noch sehr viel getauscht, bzw. in Naturalien oder mit Gegenleistung bezahlt. Auf dem Land waren die Menschen außerdem noch weitgehend Selbstversorger und mussten sehr viel weniger Lebensmittel einkaufen als heute.

Brakteat
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Re: Historisches zur Mark-Währung (1871-1918)

Beitragvon Brakteat » 28.06.2019, 17:38

Man findet immer noch was. Leider wieder nicht chronologisch, sondern querbeet.
Diesmal aus der Reichstagssitzung vom 8. Juni 1904.
https://digi.bib.uni-mannheim.de/viewer ... 4/0124.jp2

Dort wird ein Antrag beraten, das Fünfzigpfennigstück nicht mehr in der 900er Legierung auszuprägen, sondern in einer 750er Legierung. So konkret habe ich das bisher nicht gefunden. Allerdings wurde der Antrag um die Einführung des Dreimarkstücks erweitert. Hier beginnt also die ewige Debatte. Und als erster zeigt sich auch Reichsschatzsekretär von Stegel sehr betrübt über die Erweiterung des Antrags.

Bemerkenswert: von Stengel nennt hier einen Artikel aus der "Kreuzzeitung", in dem der Autor darauf anspielt, die Einführung eines Dreimarkstücks sei nur der Anfang von etwas viel Größerem: Man wolle nämlich alle Münzen aus dem Verkehr ziehen, sie sich in das Dezimalsystem einfügen, und durch andere ersetzen:

"Nicht nur dem Zwei- und dem Fünfmarkstücke soll danach der Laufpass gegeben werden, nein, es soll auch das Zwanzigmarkstück ersetzt werden durch das Dreißigmarkstück, es soll ersetzt werden das Fünfzigpfennigstück durch das Dreißigpfennigstück, das Zweipfennigstück durch das Dreipfennigstück."

Offensichtlich handelt es sich um einen polemischen Kommentar aus der Kreuzzeitung, der den Kopf darüber schüttelt, wie man sich überhaupt mit der Einführung eines Dreimarkstücks beschäftigen kann.

Die weiteren Positionen der Debatte sind weitgehend bekannt und schon weiter oben zitiert.

Ich hoffe, ich stoße bei der Suche endlich mal auf eine Ausgabe, die sich mit dem tatsächlichen Ausprägen der Dreimarkmünze 1908 beschäftigt. Die Suchbegriffe, die ich ausprobiert habe, hatten noch kein solches Ergebnis.

Fazit bisher: Das ganze Gezerre um das Dreimarkstück hat dazu geführt, dass ausgerechnet das 50-Pfennig-Stück, dessen Änderung je eigentlich so vorrangig war, am Ende fast so geblieben ist wie zuvor, außer dass man es als "1/2 Mark" ausprägte. Dagegen haben sich die Talerfreunde am Ende mit dem Dreimarkstück durchgesetzt. Da würde mich vor allem interessieren, ob sich das Dreimarkstück nach 1908 denn auch bewährt hat oder ob es eigentlich überflüssig war - eine "liebgewordene Gewohnheit", die im Grunde eine moderne Münzreform ausgehebelt hat, wie auch in der obigen Debatte kritsiert wird.


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