Beitragvon Drachenfliege » 10.05.2013, 16:01
Ich bin seit Jahren von der besch…en Arbeit im Rahmen unserer sozialen (sic) Marktwirtschaft ausgelaugt, fühle mich benutzt, ausgebeutet, ausgequetscht und weggeworfen. Obendrein kommt gerade so viel dabei herum, dass ich mir ein Dach über’n Kopf (selbstverständlich zur Miete), meine Nahrung und die Fahrten zur Arbeit leisten kann. Wenn’s gut läuft, ist vielleicht alle 5 bis 6 Monate mal ein Kosmetiktermin drin, alle 3 oder 4 Jahre ein Urlaub im Ausland. Ich bin im besten Fall 10 Stunden, in ungünstigen Fällen 13 Stunden außer Haus. Kann mich am Abend und WE kaum aufraffen, den Haushalt und die Verwaltung meines Lebens zu organisieren. Ich werde gezwungen, Dinge zu tun, die ich nicht tun will (Anschnallen bei kurzen Fahrten), ich muss für Dinge bezahlen, die ich nicht nutzen möchte (GEZ), ich stehe unter ständiger Kontrolle irgendwelcher Behörden, Geschwindigkeitsblitzer, Politessen, Arbeitgeber, meiner Mutter... Ich träume von wahrer Freiheit, monatlichen Friseur- und Kosmetikbesuchen, jährlichen, 4wöchigen Urlauben - außerhalb von Balkonien. Kurz vorm Einschlafen träume ich sogar von einer weißen Stadtvilla und einem riesigen Grundstück mit Wäldchen, See oder Bachlauf zur Selbstversorgung weit weg von der nächsten Stadt… Aber am dringendsten wäre jetzt jemand, der mir den Haushalt schmeisst, ich schaff's bald nicht mehr… Am besten wäre ein Haus- und Hofsklave!!!
Wieso, fragt Ihr Euch, wieso ein Sklave und keine Haushälterin?? Ganz einfach, ein Sklave kostet nüscht. Wo bekomme ich aber einen Sklaven her? Ich schwanke zwischen einem armen, wasserbäuchigen Neger und einem Obdachlosen. Ich bin ja sozial und würde auch gern etwas Gutes tun und einen der beiden in meine Wohnung aufnehmen. Schließlich steht das 5qm-Kinderzimmer meines schon leer. So einen Neger her zu organisieren, ist auch nicht einfach und außerdem die Sprache und… So entscheide ich mich für einen Obdachlosen, Landstreicher… Und hej… das ist sozial. Der darf in „meiner“ Wohnung wohnen, hat sogar eine Decke von mir spendiert bekommen, um nicht auf dem nackten Linoleum zu schlafen. Der Gute hat also ein Dach über’n Kopf, friert sich nicht zu Tode, er darf regelmäßig arbeiten – das soll das Wichtigste für Menschen sein, bekommt sogar die Brosamen, die von meinem Teller fallen, auch ein Liter Wasser ist drin. Kurzum, es geht ihm um ein Vielfaches besser als unter seiner Brücke. Allerdings beschleicht mich das Gefühl, mit seiner Dankbarkeit ist es nicht zum Allerbesten bestellt und ich befürchte, mein Schützling wird seinen Platz eines Tages verlassen und will wieder zurück in die gefährliche Außenwelt.
So sorge ich auch für seine persönliche Sicherheit, vergittere das Fenster und lege ihm eine Fußfessel mit 3m langer Kette an – ausschließlich zu seiner eigenen Sicherheit! Denn man weiß ja, was Obdachlosen draußen droht… Was soll ich sagen, irgendwann ist der Haushalt auf dem Laufenden, auch der meiner Mutter und es spricht sich herum, dass ich Aushilfe anbieten kann. Natürlich nicht mehr zum Nulltarif. Die Sicherungsmaßnahmen kosteten natürlich, auch das Wasser und etwas Hygiene müssen sein - aber diese Kosten müssen ja wieder reinkommen... Logisch, dass das Geld bei mir bleibt. Schließlich trage ich jetzt auch noch die Transportkosten von und zu seinen Arbeitsstätten, außerdem nutzt er auch meine (abgelegte) Kleidung. Alles kostet, diese Investition muss erst mal abgearbeitet werden…
Naja, irgendwie läuft das Geschäft, ich weiß auch nicht wie, aber ich musste aufstocken. Ich bin ja auch kein Unmensch, die brauchen ja auch Gesellschaft. Mittlerweile habe ich 6 Obdachlose aufgenommen!!! Mir gebührt ein Platz im Himmel! Aber wisst Ihr, was mich das gekostet hat??? 6 Bretter als Schlafgelegenheit an die Wand zu schrauben… in einem 5 qm –Zimmer!! Das ist eine Herausforderung! Die Ausbruch… ähh Einbruchsicherung verstärken!! Mittlerweile verbrauchen diese 6 sogar mehr Nahrung und Wasser als ich!!! Das stelle man sich vor!! Ich kann auch gar nicht so viele Kleider abtragen, wie diese angeblich bräuchten… Aber gut, ich will mir ja nicht nachsagen lassen, ich sei unsozial… Aber das Leben ist auch nicht mehr so komod – mit so vielen Gestalten aus dem Plebs in nächster Nähe… Aber hej, wer hat gesagt, dass SOZIAL zu sein, ein Vergnügen ist.
Zwischenzeitlich habe ich umschichtiges Schlafen eingeführt und mein großes Herz für 6 weitere Hilfsbedürftige geöffnet. Das regelmäßige Arbeiten lernen die während 18 Stunden-Schichten in einer Schusterei. Selbstverständlich trage ich auch hier die Kosten für Unterkunft, Nahrung und Transport von und zur Arbeitsstätte! Sogar bei Krankheit wird das Essen nur unwesentlich gekürzt und ich verlange nur einen halben Tag Arbeit. Meinen eigenen Job musste ich schon lange hinwerfen und mir einen Aufseher äh, Vertrauten einstellen, der mir bei dem riesigen Verwaltungsaufwand hilft und ein Auge auf meine Schützlinge wirft. So spare ich mir auch die exorbitanten Ausgaben für die mechanische und technische Sicherung. Man stelle ich vor, mittlerweile sind die Sozialausgaben der größte Posten auf meiner Ausgabenliste!! Wer ist sozialer als ich?? Herausgetreten! Nicht nur ein Platz im Himmel gebührt mir, nein auch Straßen und Plätze soll man nach mir benennen! Mir zu Ehren Tempel erbauen…
Durch MEINEN Fleiß und MEIN eisernes Sparen sind mir mittlerweile wöchentliche Besuche beim Friseur möglich. Auch ein kleines weißes Stadthäuschen habe ich mir erarbeitet und ich denke, auch ein Fleckchen Land ist drin… Allerdings habe ich keine Kraft mehr, mich mit meinen sozialen Aufgaben derart weiter zu belasten. Ich brauche auch wieder Zeit für mich. Außerdem ist es Zeit, meine Zöglinge zu belohnen. Jedem von ihnen weise ich ein kleines Stückchen von MEINEM Land zu, damit sie sich selbst verköstigen und selbst bedachen. Wie sie sich freuen, diese Narren. Selbstverständlich bestehe ich darauf, dass ich mit dem Großteil der Ernte und des Viehs bedacht werde. Ist ja schließlich MEIN Land und die Investition in MEIN Land muss ja erst mal abgearbeitet werden. Ach, und selbstverständlich stehen auch weiter Dienstbarkeiten für mich an. Ich kann meine Schützlinge ja nicht sich selbst und damit wieder dem Lotterleben überlassen… Ja, ja, ich und meine soziale Ader. Und ihr wisst ja, sozial zu anderen sein, geht zu meinen Lasten. Und wer, wenn nicht ich, hat die größten sozialen Lasten zu tragen??? Ich trage schwer an dieser Bürde!
Es geht ihnen aber ganz gut. Sie vermehren sich wie die Hasen. Bis auf jene, welche als Schuster arbeiteten. Das Landbestellen geht ihnen nicht recht von der Hand. Und wieder pocht mein soziales Herz. Ich habe eine glänzende Idee: Mindestens zwei Fliegen mit einer Klappe. Denn nicht nur die „Schuster“ machen mir Sorge, nein, auch die sich kräftig vermehrenden Bauern. Wie kann ich nur für alle sorgen? Ich könnte einige nach Amerika verkaufen, ähh gegen ein kleines Entgelt umsiedeln. Ich könnte einen kleinen Krieg anzetteln, der Einsatz: ein paar Überzählige, der Jackpot: mehr Territorium, mehr Ressourcen. Aber ich gründe lieber eine (Schuh)Fabrik! Ich lagere die Untalentierten und die Überzähligen von meinen Ländereien aus und gebe ihnen das, was sie am dringendsten benötigen: Arbeit! Aber, ihr erinnert Euch, meine Sozialausgaben explodieren, mir ist es nicht mehr möglich, auch für ein Dach über den Kopf und für Nahrung zu sorgen. Ich vertraue ihnen zunächst täglich, dann wöchentlich und monatlich Geld an und mahne, sie seien nun so weit, für sich selbst zu sorgen. Schließlich sind wir nun gleich – wir alle haben Geld. Der geringe Unterschied zwischen uns ist lediglich die Menge an Geld. Aber wenn sie sich ein Beispiel an meinem Fleiß nähmen, wären sie bald genauso reich wie ich...
Natürlich würde ich gern mehr für die Arbeit in der Fabrik bezahlen. Aber die Konkurrenz ---- die Maschinen, die Rohstoffe, die Energie… Das kostet. Auch meine eigene Frisöse, meine Haushälterin, mein Gärtner, mein Koch und mein Fahrer wollen ihren Lohn und meine 12 Wochen Urlaub nach anstrengendster Arbeit müssen auch bezahlt werden. Mir selbst bleibt kaum soviel, um meine Stadtvilla und meinen Landsitz zu unterhalten. Aber schließlich haben meine Zöglinge nun das Wichtigste im Leben eines Menschen: Arbeit!!
Ich bin sozial, ich bin ein Segen für die Menschheit…
Das Geld, das man besitzt, ist das Mittel zur Freiheit, dasjenige, dem man nachjagt, das Mittel zur Knechtschaft.
Jean Jacques Rousseau