Aktuelle Zeit: 25.04.2024, 14:05
Soziale Marktwirtschaft - Fluch oder Segen?
Die Diskussion nahm ihren Ausgang im Silberkursfaden, und zwar mit diesem Beitrag. Aus technischen Gründen ist es momentan leider nicht möglich, die thematisch relevanten Beiträge aus jenem Faden einfach hierher zu verschieben. Wir werden aber versuchen, das zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Vorläufig als Start hier deshalb nur ein paar, willkürlich ausgewählte Zitate aus dem Silberkursfaden.
Ich bitte Euch, die Diskussion zu dem Thema Soziale Marktwirtschaft der Übersichtlicheit zuliebe gezielt hier und nicht mehr im Silberkursfaden weiterzuführen.
Gruß,
Finerus
McSilver hat geschrieben:Herzlichen Dank an lübecker und paulbommel für die freundliche Begrüßung in diesem Faden!
Janus und andere haben ein paar Fragen gestellt. Vielleicht kann ich ein wenig zur Klärung beitragen:
1) Lässt sich eine Hyperinflation noch vermeiden?
Ja, meines Erachtens lässt sich eine Hyperinflation bereits dadurch vermeiden, dass in der jetzigen Situation keine Verschärfung der expansiven Geldpolitik betrieben wird.
Wenn sich also die weltweit verantwortlichen Politiker und Notenbanker dafür entscheiden, die Rezession/Depression jetzt zuzulassen, wäre eine Hyperinflation mit großer Wahrscheinlichkeit zu vermeiden.
Allerdings sehen die politischen Akteure ja ihre primäre Aufgabe darin, eine Depression um jeden Preis zu vermeiden und durch Konjunkturprogramme, Geldmengenerweiterung und bailouts die notwendigen marktwirtschaftlichen Anpassungsprozesse zu verhindern.
Wenn man also - so wie ich - annimmt, dass die Politik weiterhin einem Rezept folgt, das den Patienten auf längere Sicht immer kränker macht als zuvor, wird sich Hyperinflation in den nächsten ca. 5 Jahren voraussichtlich nicht vermeiden lassen (obwohl sie an sich leicht vermeidbar wäre).
Diese Frage hängt aber mit folgender zweiten Frage zusammen:
2) Können die Notenbanken die Geldmenge rechtzeitig drastisch verringern?
Im Prinzip haben die Notenbanken genügend Instrumente, um die Geldmenge zu steuern, d.h. auch zu verringern.
Hierbei kommt es aber auf das richtige Timing an. Man will die Wirtschaft ja sehr stark stimulieren, um sie aus der Rezession/Depression zu führen und Arbeitslosigkeit zu verringern. Eine höhere Inflationsrate wird dabei nicht nur billigend in Kauf genommen, sondern sie ist erwünscht.
(Inflationserwartungen in der Bevölkerung stimulieren ja den privaten Konsum, da Konsum zeitlich vorgezogen wird, wenn man erwartet, dass alles teurer wird.)
Keynesianisch orientierte Ökonomen sehen in Inflationsraten im hohen einstelligen Bereich noch gar kein ernsthaftes Problem. Außerdem übersehen sie meines Erachtens, dass sich solche Prozesse verselbständigen und Gegenmaßnahmen zu spät kommen, da sie erst mit Zeitverzögerung wirksam werden.
Es ist davon auszugehen, dass die Notenbanken es nicht schaffen, die Geldmenge rechtzeitig zu begrenzen und dass sich die politischen Akteure schlicht und ergreifend Illusionen machen.
Sehr interessant ist in diesem Zusammenhang ein Interview mit dem früheren Bundesbankpräsidenten Helmut Schlesinger:
http://www.welt.de/wirtschaft/article13 ... erung.html
Ein Zitat daraus:
"Welt Online: Sie machen sich Sorgen, das viele Geld könnte in einer Inflation münden ?
Schlesinger: Wir haben keine Erfahrungen mit einer derartigen Geldpolitik in Friedenszeiten. Die Notenbankbilanz hat sich innerhalb kurzer Zeit von einer auf drei Billionen Euro verdreifacht. Das sind Dimensionen, die eher an die Kriegsfinanzierung erinnern. Damals hat sich die Bilanzsumme verzehnfacht. (Anmerkung der Redaktion: Nach dem 2. Weltkrieg erfolgte in Deutschland ein Währungsschnitt. Aber auch im 1. Weltkrieg erfolgte eine Finanzierung über die Notenpresse, die dann die Hyperinflation auslöste .)
Welt Online: Die EZB sagt, sie habe das im Griff.
Schlesinger: Lassen Sie mich das historisch beantworten. Einen Geldüberhang hat man in der Geschichte durch zweierlei wegbekommen: Entweder durch eine Währungsreform, so wie das in Deutschland 1948 der Fall war. Damals wurde die Geldmenge gezehntelt. Oder durch Preiskontrollen und Zwangsbewirtschaftung. Diesen Weg ist Großbritannien nach dem Zweiten Weltkrieg lange Zeit gegangen. Damals hat man über zehn Jahre mit erhöhter Inflation gelebt, bis das viele Geld schließlich von der Wirtschaft absorbiert war. Wenn die EZB also sagt, sie komme da schnell wieder raus, gibt sie ein Versprechen ab, das erst einmal näher begründet werden müsste."
Zitat Ende.
McSilver hat geschrieben:Nachtrag:
Die japanische Geldpolitik übertrifft ja in jüngster Zeit die expansive Geldpolitik der übrigen Notenbanken noch um ein Vielfaches. Man kann das als offenen Währungskrieg interpretieren.
(Zum Thema "Währungskrieg" vgl. die Beiträge von James Rickards, z.B. sein Buch "Currency wars".)
3) Marktwirtschaft contra Sozialismus
Die Frage wurde aufgeworfen: Wie werden wir im Rückblick unsere Zeit beurteilen?
Ist der "Kapitalismus" gescheitert?
Steht dem Sozialismus eine neue Zukunft bevor?
Die unterschiedlichen Spielarten des Sozialismus sind ja bei der akademischen Jugend wieder sehr in Mode. "Kapitalismus" und Marktwirtschaft werden schon jetzt vielfach als Wurzel allen Übels gesehen.
Insofern fürchte ich, dass man im Rückblick mehrheitlich eine falsche Politik, die ja gerade von der Allmachtsphantasie bestimmt war, die Wirtschaft (finanz- und geldpolitisch) lenken zu können, dem "Kapitalismus" und der Marktwirtschaft anlasten wird.
Aus meiner Sicht sind auch die Fehlentwicklungen in der Finanzwirtschaft hauptsächlich durch das staatliche Geldmonopol mit beliebig vermehrbarem Fiat Money bedingt.
Die Mehrheit der Bevölkerung scheint aber zu glauben, der Staat müsse die Wirtschaft stärker lenken statt weniger.
Das verheißt auch nach dem in den nächsten Jahren zu erwartenden Zusammenbruch nichts Gutes.
Soweit der Exkurs.
Ich habe leider nicht die Zeit, weiterhin hier so intensiv zu schreiben.
Mich interessiert ja in diesem Faden auch hauptsächlich eine gelegentliche Diskussion über den mittelfristigen Silberpreis.
[...]
McSilver hat geschrieben:Guten Abend!
Ich möchte zur Diskussion ein paar Kommentare beisteuern:
1) Sollte meine These zutreffen, dass wir - trotz expansiver Geldpolitik und weiterem deficit spending - am Anfang einer weltweiten Rezession stehen, entsteht in der Tat ein deflationäres Umfeld.
Das heißt aber keineswegs, dass alle Preise fallen. Die Entwicklung kann sehr uneinheitlich aussehen: Für wahrscheinlich halte ich eine Vermögensgüterpreis-Deflation, beispielsweise ein Einbruch bei den Aktien.
Daneben eben auch einen weiteren Einbruch bei den Edelmetallen, was für uns hier ja die entscheidende Frage ist.
(Wie bereits immer wieder betont, ist das meines Erachtens kein Grund zur Sorge, da die geldpolitischen Gegenmaßnahmen, die im Falle einer weltweiten Rezession zu erwarten sind, mit einer Zeitverzögerung von 12 Monaten - plus/minus 6 Monaten - die Preise wieder steigen lassen werden. Und zwar mehr als uns lieb sein kann, diesmal vermutlich auch verstärkt im Bereich der Konsumgüterpreise.
Dies nur als kurze Klarstellung meiner Position.
Mir persönlich wäre es übrigens ganz lieb, wenn ich mich irrte. Ich würde gern einen Verlust eines Teils meiner Edelmetall-Investition in Kauf nehmen und mich über eine bessere Zukunftsaussicht freuen.
Es ist nur leider irrelevant, was wir uns wünschen - und daher sollten wir die Entwicklung möglichst nüchtern betrachten.
2) Zu den allgemein-politischen Themen, die weiter oben in diesem Faden angesprochen wurden:
Seit vielen Jahrzehnten wird von bestimmter politischer Seite immer wieder behauptet, das "Produktionsproblem" sei gelöst: Die Wirtschaft würde bereits genügend produzieren. Wir lebten in einer Überflussgesellschaft. Und jetzt müsse nur noch gerecht "umverteilt" werden.
Ich halte das für völlig falsch: Um - weltweit betrachtet - für allgemeinen Wohlstand zu sorgen, brauchen wir ein globalisiertes marktwirtschaftliches System.
Sicherlich auch ordnungspolitische Regulierungen, aber definitiv keine weiteren Versuche staatlicher Wirtschaftslenkung.
McSilver hat geschrieben:Janus hat geschrieben:McSilver hat geschrieben:Seit vielen Jahrzehnten wird von bestimmter politischer Seite immer wieder behauptet, das "Produktionsproblem" sei gelöst: Die Wirtschaft würde bereits genügend produzieren. Wir lebten in einer Überflussgesellschaft. Und jetzt müsse nur noch gerecht "umverteilt" werden.
Ich halte das für völlig falsch: Um - weltweit betrachtet - für allgemeinen Wohlstand zu sorgen, brauchen wir ein globalisiertes marktwirtschaftliches System.
Sicherlich auch ordnungspolitische Regulierungen, aber definitiv keine weiteren Versuche staatlicher Wirtschaftslenkung.
Wenn man Deutschland für sich betrachtet, werden mehr als genug Güter für alle produziert, besonders deutlich sieht man das am Beispiel "Autos": Warum parken tausende Neuwagen heimlich in Bayern?
Selbstverständlich kann es auch in einer Marktwirtschaft zeitweise zu Überproduktionen einzelner Güter kommen. Das ist aber nie ein dauerhafter Zustand, es sei denn, der Markt wird durch Staatseingriffe (z.B. Subventionen) verzerrt.
Du schreibst, in "Deutschland für sich betrachtet werden mehr als genug Güter für alle produziert".
Das Problem mit dieser Aussage ist:
(1) Man kann Deutschland ökonomisch eben nicht "für sich" betrachten, da es Teil der stark arbeitsteiligen Weltwirtschaft ist. Global betrachtet benötigen wir noch erhebliches Wirtschaftswachstum, damit in 100 bis 200 Jahren eine Weltbevölkerung von dann mindestens 9 Milliarden Menschen einen Wohlstand genießen kann, der unserem heutigen in Ländern wie Deutschland ähnlich ist.
(Der Weg dahin geht nur über freien Handel, weltweite Arbeitsteilung und Marktwirtschaft. Das ist aber nur eine notwendige Bedingung. Hinzu kommen sollte eine internationale Ordnungspolitik, die Marktversagen entgegenwirkt und für ökologische Nachhaltigkeit sorgt.)
(2) Wer entscheidet darüber, wann genug oder zuviel Produkte hergestellt werden?
Nach meinem Verständnis nur der Konsument. Und bislang war es so, dass sich Konsumenten zwar von einzelnen Produkten abwenden, zugleich aber neuen Produkten und Dienstleistungen zuwenden.
Im Zuge des technischen Fortschritts entstehen neue Bedürfnisse, die Wirtschaft bleibt also dynamisch.Janus hat geschrieben:
Ich bin übrigens kein Fan von staatlicher Wirtschaftslenkung, sondern hatte nur über den Silberpreis nachgedacht und dabei irgendwie herausgezoomt. Da wäre übrigens eine Idee, welche mir auf den ersten Blick sinnvoll erscheint (und die keinen Nachteil für Silber- oder Goldhorter bedeutet).
Was wäre, wenn man die steuerlichen Abgaben auf den Lohn deutlich senkt und dafür die Abgeltungssteuer jenseits des Freibetrags von 25% auf 90% erhöht? Mir erscheint es gerade so, als würde das die Fairness erhöhen. Ich bin mal gespannt, ob das der Prüfung eines Ökonomen standhalten kann.
Hintergrund Deines Vorschlags ist vermutlich die Erkenntnis, dass im Bereich der Finanzwirtschaft in letzter Zeit Verluste sozialisiert und Gewinne privatisiert werden. Selbstverständlich ist das nicht bloß ungerecht, sondern eine Art "Sozialismus für die Reichen".
Was Du vorschlägst, funktioniert trotzdem nicht:
Profite sind ein wesentlicher Bestandteil des Marktmechanismus. Wer Kapital besitzt, investiert dort, wo der meiste Profit zu erwarten ist. In einem zweckmäßigen ordnungspolitischen Rahmen (und ohne die gegenwärtige ultralockere Geldpolitik, die Fehlinvestitionen begünstigt), wird in die Realwirtschaft investiert, und zwar dort, wo auf Grund steigender Nachfrage die Preise steigen, d.h. eine relative Knappheit an Gütern herrscht.
Marktpreise sind also Knappheitsindikatoren. Und der Profit ist unverzichtbar, um die Produktionsfaktoren in die Bereiche zu lenken, in denen die Nachfrage steigt. (In Bereichen, in denen die Nachfrage sinkt, gehen die Preise und die Profite zurück.)
Da Profit in einer Marktwirtschaft diese unverzichtbare Funktion hat, ist es schädlich, Profite ab einer bestimmten Höhe generell verbieten zu wollen.
Eine Kapitalertragssteuer von 90 Prozent würde aber genau in diesem Sinn prohibitiv wirken. Damit hättest Du die Marktwirtschaft fast genauso wirksam zerstört wie durch die Einführung einer Zentralverwaltungswirtschaft.
Wie immer ist es also schädlich, aus einem moralischen Impuls heraus nur die erwünschten kurzfristigen Folgen für bestimmte Gruppen zu sehen und die unerwünschten langfristigen Folgen für die gesamte Wirtschaft auszublenden.
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Zum Silberpreis:
Soweit ich sehe, stimmen Silverneck und andere der Einschätzung zu, dass die Weltwirtschaft in Richtung Rezession steuert. (Hierbei möchte ich v.a. auf das geringere Wachstum in China verweisen, das für die Weltwirtschaft und auch die Nachfrage nach EM wichtiger ist als die europäischen Pleitestaaten.)
Wenn diese Einschätzung aber stimmt, verstehe ich nicht ganz die gleichzeitige Empfehlung, schon jetzt die zweite oder dritte Andorra zu kaufen.
Denn wenn diese Entwicklung anhält und die aktuell zu erwartende Verschärfung der expansiven Geldpolitik erst mit Zeitverzögerung wirkt, dürften die EM-Preise nochmals sinken im Verlauf der nächsten Monate, bis sie langfristig wieder steigen.
McSilver hat geschrieben:Da es in diesem Forum viele interessante Menschen mit ganz unterschiedlichem "Hintergrund" gibt, finde ich die Diskussion interessant und habe mich deshalb hier engagiert.
In den nächsten Tagen habe ich allerdings wenig Zeit. Dies als vorauseilende Entschuldigung, dass ich nicht auf alle Beiträge in dieser Diskussion werde eingehen können.
Vielen Dank an FrankKN für seine kritischen Anmerkungen:FrankKN hat geschrieben:Ich sehe nach wie vor nicht so recht, wo der Sinn liegen soll, daß zig verschiedene Autofirmen um Kunden buhlen (hinter denen sich ja ohnehin gar nicht mal so viele Konzerne verbergen).
Ich sehe auch keinen Sinn darin, daß 25 Zahnpastafirmen 99 Zahnpasten verkaufen wollen, von denen sich vielleicht 3 ernsthaft von einander unterscheiden (Wirkstoffe betrefend u.ä.) - das sehe ich als Verschwendung von Ressourcen. Und dieses Prinzip (Marktwirtschaft) basiert sehr wohl darauf, daß Firmen Konsumenten in spe versuchen einzureden, daß sie etwas bestimmtes bräuchten, was aber einfach so nicht stimmt.
Zum Auto-Beispiel:
Siehst Du nun zu wenig Konkurrenz ("gar nicht mal so viele Konzerne") oder zuviel Konkurrenz ("zig verschiedene Autofirmen")?
Beide Thesen zugleich kannst Du nicht vertreten.
Aus liberaler Sicht, die ich vertrete, ist Konkurrenz natürlich sehr nützlich. Kartellbildung und dergleichen gilt es zu verhindern.
Warum Konkurrenz? Weil dies in einem System von Handel und weltweiter Arbeitsteilung die Preise senkt und damit zu mehr Wohlstand führt.
Es ist für den Konsumenten im allgemeinen gut, wenn er zwischen verschiedenen konkurrierenden Produkten derselben Kategorie auswählen kann.
Wer möchte einen Zustand, bei dem ein "weiser" Wirtschaftsrat uns vorschreibt, welche Automarke wir fahren dürfen? (Sofern die Bürokratie es überhaupt einsieht, dass wir Auto fahren dürfen ...)
Es stimmt aber, dass viele Konsumenten sich überfordert fühlen, wenn sie z.B. in einem Supermarkt mit 20 verschiedenen Zahnpasta-Sorten konfrontiert werden.
Hier bieten neue technologische Entwicklungen, wie das Internet, eine Möglichkeit, anhand der Meinung anderer Kunden eine Orientierung zu finden.
Wahlfreiheit muss also nicht zwangsläufig den Menschen überlasten.
Werden neue Bedürfnisse eingeredet?
Sicherlich wird ständig Werbung für neue Produkte gemacht.
Kurzfristig kann das dazu führen, dass auch unnütze Produkte produziert und konsumiert werden.
Es ist aber aus meiner Sicht eine Illusion, dass langfristig völlig unnütze Produkte sich am Markt halten können.
Man kann Menschen nicht dauerhaft einreden, ein Produkt sei nützlich, wenn sie dies nicht so empfinden.
Und wenn sie einen Nutzen empfinden, dann hat es auch einen - und zwar genau den von ihnen empfundenen, für den sie bereit sind, einen bestimmten Preis zu zahlen. (Unabhängig davon, was andere Leute darüber denken, die das Produkt nicht mögen und für überflüssig halten.)
Ist es schlecht, wenn in einer Marktwirtschaft neue Bedürfnisse entstehen/geweckt werden?
Nein, meines Erachtens ist das Gegenteil der Fall.
Ohne diesen Prozess gäbe es den gesamten technischen Fortschritt, der für unser Leben heute prägend ist, überhaupt nicht.
Alles rund ums Internet beruht darauf, dass Bedürfnisse erzeugt wurden, die es vorher nicht gab. Die meisten Menschen erleben dies als Bereicherung ihres Lebens.
Werden Menschen durch zunehmenden Wohlstand und technischen Fortschritt glücklicher?
Darauf möchtest Du vermutlich hinaus: dass also Menschen durch Wohlstand und technischen Fortschritt nicht glücklicher werden, wenn Du schreibst: "Konsum verdrängt das Leben".
Zunächst einmal: Ich verstehe, was damit gemeint ist und respektiere diese Einstellung.
Aber:
Diese Einstellung findet man immer nur bei Menschen, die bereits die Früchte von Wohlstand und technischem Fortschritt genießen.
Es ist sozusagen eine Luxus-Problem, auf hohem materiellen Niveau über den Sinn des Lebens nachzudenken. (Und dabei völlig zu verdrängen, dass ärmere Menschen den Sinn ihres Lebens vorläufig darin sehen, dieses Niveau irgendwann zu erreichen.)
Zur Glücksfrage:
Die empirische Glücksforschung hat herausgefunden, dass sich Menschen an Zustände anpassen. Auch der Lotto-Millionär empfindet nach einem Jahr seinen neuen Reichtum nicht mehr als besondere Bereicherung seines Lebens.
Insofern stimmt es teilweise: Ein höheres Wohlstands-Niveau macht nicht (ganz) so glücklich, wie diejenigen glauben, die dieses Niveau noch nicht erreicht haben.
Aber: All diejenigen, die auf dem Gipfel ihres Wohlstandes über materiellen Überfluss jammern, werden ihn sehr schmerzlich vermissen, sobald er nicht mehr vorhanden ist.
Dies gebe ich zu bedenken, wenn Du schreibst:FrankKN hat geschrieben:Ich sehe diese Version der Marktwirtschaft nicht als alternativlos, nicht einmal als sonderlich erstrebenswert an, und unter den jetzigen Bedingungen auch nicht einmal mehr als erhaltenswert.
Was soll denn die Alternative sein zu einer (sozialen) Marktwirtschaft?
(Anmerkung: Mit sozialer Marktwirtschaft meine ich keine Wohlfahrtsbürokratie und keinen totalen Versorgungsstaat, so wie er sich seit Jahrzehnten entwickelt.)
Ich bin gern bereit, Alternativen zu diskutieren. Vielleicht in einem neuen Faden, falls sich ein Moderator die Mühe macht, die aktuelle Diskussion auszugliedern und einen neuen Thread aufzumachen.
Hier im Silberpreis-Faden würde das eher ausufern, scheint mir.FrankKN hat geschrieben:Ich kenne niemanden, der durch mehr Konsum glücklicher oder lebenszufriedener geworden ist.
Eher das Gegenteil ist der Fall: Zeit ist für mich die stärkste Währung. Zeit haben für mich, um ein gutes Buch zu lesen, ob entspannen zu können (Seele baumeln lassen). Muß natürlich jeder für sich selbst entscheiden, aber ich habe eben diese Erfahrung gemacht: je weniger ich mich auf das "Konsumspiel" einlasse, desto angenehmer und gehaltvoller wird mein Leben.
Der angenehme und förderliche Luxus, die Seele baumeln zu lassen, wird möglich gemacht durch einen hohen Stand der technischen Entwicklung und der Arbeitsproduktivität.
Es gibt alle möglichen Arten von Konsum, z.B. ein aktiver Ski-Urlaub.
Niemand wird gezwungen, passiv vor dem TV zu sitzen und Chips zu essen.
Der Eindruck, dass Menschen durch zunehmenden Wohlstand nicht glücklicher werden, hat mit dem genannten Ergebnis der Glücksforschung zu tun: Man hält den aktuellen Wohlstand irgendwann für selbstverständlich.
Dennoch gibt es kaum jemand, der darauf verzichten möchte.
Nun ja, in den nächsten Jahren werden leider viele gezwungen sein, darauf zu verzichten.
Meine Prognose dazu: Das Wohlstands-Phänomen der Konsumkritik wird rasch verschwinden, sobald sich der Wohlstand für viele (vorübergehend) verringert
Rollmops hat geschrieben:McSilver hat geschrieben:Es gibt keine empirischen Hinweise darauf, dass die enorme ökonomische Entwicklung im asiatischen Raum in den letzten 25 Jahren zu einer globalen ökologischen Katastrophe führt.
Es deutet vielmehr alles darauf hin, dass die ökologischen Katastrophen-Szenarien falsch sind.
Das alles ist nicht überraschend. Es hat seit dem 19. Jahrhundert immer wieder pessimistische Mehrheitsmeinungen gegeben, deren Grundtenor darin bestand, dass die Armen eben arm bleiben müssen.
Die Variante seit 30 Jahren lautet: Die Armen werden arm bleiben, weil sonst eine ökologische Katastrophe passiert, die uns alle umbringt.
(Medien und Populärkultur haben diesen pessimistischen Glauben so in uns verankert, dass die meisten Menschen dies für eine selbstverständliche Realität halten.)
...Und wenn wir lange Zeiträume von 100 bis 200 Jahren anvisieren, ist es nicht bloß möglich, sondern sogar wahrscheinlich, dass irgendwann auch Afrika sich entsprechend ökonomisch entwickelt.
Was spricht dagegen? Die Begrenztheit der Ressourcen etwa? Diese These ist längst empirisch widerlegt, obwohl sie vielen Leuten weiterhin plausibel erscheint.
Speziell zum Energieverbrauch: Selbstverständlich wird die Wirtschaft in 200 Jahren nicht mehr auf fossilen Energiequellen basieren. Zur Zeit ist es für Länder wie China aber einfach am günstigsten, v.a. fossile Energie zu "verbrennen". Dies wird sich im Verlauf dieses Jahrhunderts ändern - und fossile Energie wird allmählich durch regenerative ersetzt.
Tia wenn Du das glauben willst...
Ich brauchen nur einen Blick in ein Geschichtsbuch zu werfen um zu wissen wie falsch Du liegst.
Sehr viele Hochkulturen sind untergegangen weil sie über ihre Verhältnisse gelebt haben, sprich sie haben mehr Resourcen verbraucht als die Umgebung hergab.
Ein Kostprobe gefällig:
Die Garamaten, einst beheimatet auf dem Gebiet des heutigen Lybiens, sind untergegangen als sie die unterirdischen Wasserspeicher, die noch aus Jahrtausende zurückliegenden Nassphase stammten, aufgebraucht hatten.
Die Osterinseln waren einst bewaldet, aber ihre Bewohner haben solange die Wälder für die Errichtung von Steinskulpturen abgeholzt, bis sie ihre eigene Lebensgrundlage zerstört haben.
Ähnlich verschwenderisch gingen die Anasazi (ein ehemaliger Indianerstamm in mittleren Westen der USA) mit ihren Wäldern um. Sie begannen einen derart exesiven Raubbau an der Natur um ihre Städte zu bauen, bis die Gegend versteppte.
Ich habe auch mal eine sehr interessante Dokumentation darüber wie Neuseeland im Laufe der Jahrhunderte sich verändert hat gesehen. Als die Maori auf Neuseeland landeten, war es eine reine Vogelinsel. Zunächst ernährten sich die Einwanderer hauptsächlich von der Jagd, als sie aber zB die Moas erfolgreich ausgerottet haben, hatten sie damit ihre eigene Lebensgrundlage gefärdet. Das führte zu kriegerischen Auseinandersetzungen lange vor dem Eintreffen der Weissen.
Nächste Fall die Mayas. Auch bei denen geht die Wissenschaft heute davon aus dass sie den Klimawandel der ihre Kultur zerstörte, durch intensiven Raubbau an der Natur selbst verschuldet haben.
Auch die Khmer in Kambodscha sind wohl an einer längeren Dürreperiode zugrunde gegangen. Wobei der Klimawandel der sie letzendlich zugrunde richtete wohl nicht selbstverschuldet war. Allerdings waren die Kultur wohl so überdehnt dass sie nicht mehr auf die Dürre reagieren konnten.
...
etc etc etc
McSilver hat geschrieben:@ Rollmops
Ich bin zeitlich leider nicht mehr in der Lage, so ausführlich auf Deinen Einwand einzugehen, wie das nötig wäre.
Nur kurz dazu:
Ob eine Region übervölkert ist, hängt ab vom Stand der Technik.
Beispielsweise würden in kürzester Zeit die meisten Menschen in Deutschland verhungern, wären wir auf dem Stand der Technik des 18. Jahrhunderts.
Die "Tragfähigkeit" der Erde (oder bestimmter Regionen) ist also kein absoluter Wert, sondern immer relativ zum Stand der Technik.
Die Aufzählung von Ethnien, die ausgestorben sind, weil ihr Stand der Technik nicht angepasst war an ihr Bevölkerungswachstum, ist also kein gültiges Gegenargument.
Richtig ist natürlich, dass eine Zerstörung der eigenen Lebensgrundlagen langfristig zur Selbstzerstörung führt.
Dies belegen Deine Beispiele in der Tat.
Und deshalb ist es auch wichtig, die Marktwirtschaft soweit ökologisch und effizient im Hinblick auf Ressourcenverbrauch zu gestalten wie möglich.
Dies bedeutet aber eben nicht, dass die Weltbevölkerung in 200 Jahren in Armut leben muss und z.B. eine planwirtschaftliche Öko-Diktatur eine Lösung wäre.
Die Lösung besteht gerade darin, Wohlstand effizienter zu produzieren. Und der Weg dorthin ist nur möglich durch weiteren technischen Fortschritt, Freihandel, weltweite Arbeitsteilung und eine begleitende regulierende Ordnungspolitik.
barny68 hat geschrieben:schöne Worte.
Erinnert mich an meinen Kuba Aufenthalt vor vielen Jahren. Ich bin dort Tagelang mit Kubanern durch Havanna gezogen. HaDie hatten nichts ausser Grundversorgung Lebensmittel, Schule und Medizin.
Trotz allem habe ich selten wieder so viele glückliche Menschen kennen gelernt.
Interessanterweise waren diejenigen im Stress und unzufrieden die durch Taxifahrten oder anderen Einkommensmöglichkeiten (Dollar)einen höheren Lebensstandart hatten als andere. Dieser musste natürlich mit aller Macht gehalten werden.
Nicht falsch verstehen. Es gab auch bitterarme dort die von der Hand in den Mund gelebt haben.
Die Unterdrückung durch den Staat möchte ich schon gar nicht.Ein öffnen des Landes wird mit stärkerer Unterdrückung und Leid für die Bevölkerung zu tun haben.
Trotz allem habe ich auf vielen Reisen durch die Welt erlebt das Glücklich sein nichts mit Wohlstand in unserer Denkweise zu tun hat.
Wir werden unseren Wolstand in der Form nicht halten können. Da werden wir uns alle drauf einstellen müssen.
Eine Umverteilung findet ja auch in Deutschland verstärkt statt. Europa knabbert auch seit langen an uns. Nun ist der Rest der Welt dran.
libelle hat geschrieben:McSilver hat geschrieben:Der Eindruck, dass Menschen durch zunehmenden Wohlstand nicht glücklicher werden, hat mit dem genannten Ergebnis der Glücksforschung zu tun: Man hält den aktuellen Wohlstand irgendwann für selbstverständlich.
Dennoch gibt es kaum jemand, der darauf verzichten möchte.
Dass viele Menschen ihren Wohlstand als selbstverständlich empfinden, will ich sofort glauben.
Die Fähigkeit auch mal über den Tellerrand zu schauen, ist ja leider vielen abhanden gekommen.
Man möchte lieber unter sich bleiben und wenn man was erkennt, dann sind es dann auch eher die Defizite nach oben hin.Nun ja, in den nächsten Jahren werden leider viele gezwungen sein, darauf zu verzichten.
Da kann ich ja nur hoffen, dass es vorrangig jene erwischt, die aus so einer Zeit dann auch eine positive Lehre ziehen können.Meine Prognose dazu: Das Wohlstands-Phänomen der Konsumkritik wird rasch verschwinden, sobald sich der Wohlstand für viele (vorübergehend) verringert
Sicherlich ist es ein Wohlstands-Phänomen und dennoch muss es erlaubt sein übermäßigen Konsum zu kritisieren.
Die Gier nach immer mehr ist doch nicht gut für uns.
Aus meiner Sicht ist unser Wohlstand in manchen Bereichen einfach über das Ziel hinausgeschossen.
Allein die Müllberge lassen doch erkennen, dass mit unserem Konsumverhalten etwas nicht stimmt.
Wenn ich höre, dass z.B Elektrogeräte extra mit Schwachstellen versehen werden, nur damit sie nicht zu lange halten, dann stimmt da was nicht mit unserer Marktwirtschaft, finde ich.
lifesgood hat geschrieben:Aus meiner zwischenmenschlichen Lebenserfahrung kristallisiert sich Folgendes heraus:
Es gibt Menschen, die sind in ihrer Grundeinstellung zufrieden und es gibt Menschen, die sind in ihrer Grundeinstellung unzufriedene.
Der Zufriedene kann sich mit deutlich weniger bescheiden ohne dass ihm sein Lebensglück verlorengeht und der Unzufriedene ist immer unzufrieden, egal wie gut es ihm geht.
Ich sehe mich selbst als zufriedenen Menschen. Sicher, wenn´s nicht weh tut, gönnt man sich das Eine oder Andere, das vielleicht auch als Luxus zu bezeichnen ist.
Aber gerade in den letzten Wochen und Monaten beschäftigt mich zunehmend der Gedanke, wovon mein Lebensglück eigentlich abhängt und worauf ich verzichten könnte, ohne wirklich was zu verlieren.
Und ich stelle fest, das ist doch einiges, bei dessen Fehlen mein Lebensglück nicht beeinträchtigt wäre. Das sind Dinge, die sind "nice to have", aber das Glück hängt nicht dran. Irgendwie läßt mich das sehr gelassen in die Zukunft blicken. Denn der wahre Luxus ist es doch über seine Lebenszeit selbst verfügen zu können.
lifesgood
Querulant hat geschrieben:@Solbo...Wie stellst du dir das Leben vor, wenn sagen wir alle Arbeitnehmer nur noch 20 Wochenstunden arbeiten? ...
...
Doch ist die gewonnene Zeit auch immer sinnvoll genutzt?
Das hängt von jedem Menschen selbst ab.
Es gibt diejenigen, welche mit sich nichts anzufangen wissen. Das wissen die dann jedoch auch nicht, wenn sie 40 Stunden arbeiten.
Dann gibt es aber auch Diejenigen, welche nie Langeweile haben und für ihre Hobbys gerne bisschen mehr Zeit hätten. Aber nein, sie müssen ja 40 Stunden arbeiten, was sie als Zwang empfinden....Nicht ohne Grund fühlen sich viele Arbeitslose ausgeschlossen, weil Ihnen der Anteil an der Gesellschaft fehlt.
Das ist ja dann wieder das andere Extrem, nämlich 0-Stunden Arbeit.
Das ist sicherlich auch nicht erstrebenswert.Was machen wir am Wochenende? Im Garten arbeiten, das Auto putzen, Häuser renovieren. Nur die Tätigkeit macht uns zufrieden. ...
Sicher macht Tätigkeit zufrieden, aber muss es unbedingt die Tätigkeit sein, die man für einen Chef ausführt?
Nein, mir persönlich sind die Tätigkeiten lieber, worüber ich selbst bestimmen kann.
Nun kann jemand sagen, dann mache Dich selbstständig. Ja gut. Aber genau das können erstens nicht alle Menschen (sonst gäbe es NUR Chefs und keine Angestellten) und zweitens liegt dies nicht jedem.
Alles in allem kann ich an einer 20-Stunden-Woche nichts nachteiliges erkennen.
Man hat Arbeit um seinen Lebensunterhalt zu verdienen und darüber hinaus viel Freizeit die man nach seinen Gutdünken gestalten kann....
lifesgood hat geschrieben:natürlich möchte jeder nur 20 Stunden arbeiten, möglich bei gleichen Einkünften. Aber er möchte wohl nicht, dass die Anderen, die ihm sein Leben in der bisherigen Form ermöglichen, auch nur 20 Stunden arbeiten.
Denn was sich in der Industrie vielleicht noch relativ problemlos umsetzen liesse (auch hier käme es zu Preissteigerungen, denn die Maschinen, die den Menschen ersetzen müssen ja auch amortisiert werden), stößt im Handwerks-, Dienstleistungs-, Pflege- und Versorgungssektor an seine Grenzen.
Um dieselbe Versorung gewährleisten zu können, bräuchte man doppeltes Personal, was natürlich die ohnehin steigenden Kosten im Pflege- und Gesundheitsbereich, explodieren liesse. Gäbe es überhaupt genug Menschen für diese Jobs? Ist ja heute teilweise schon knapp.
Die Folge wären explodierende Sozialversicherungsbeiträge und schon reichen die 20 Stunden nicht mehr zum Leben. Denn auch in anderen Bereichen, wie z.B. Handel, Handwerk, Behörden usw. würden entweder die Preise explodieren, oder man müßte mit halbierten Öffnungszeiten oder halber Leistung fürs selbe Geld zurechtkommen.
Manchmal ist auch ein, im Grunde guter Gedanke nicht realisierbar, wenn man ihn zu Ende denkt. In einer arbeitsteiligen Gesellschaft ist das nicht sooo einfach.
Just my two cents ...
lifesgood